Humorkritik | Dezember 2015
Dezember 2015
»Was ist schließlich ein Papst, ein Präsident oder ein Generalsekretär anderes als jemand, der sich für einen Papst oder einen Generalsekretär oder genauer: für die Kirche, den Staat, die Partei oder die Nation hält? Das einzige, was ihn von der Figur in der Komödie oder vom Größenwahnsinnigen unterscheidet, ist, daß man ihn im allgemeinen ernst nimmt und ihm damit das Recht auf diese Art von ›legitimem Schwindel‹, wie Austin sagt, zuerkennt. Glauben Sie mir, die Welt so betrachtet, d.h. so wie sie ist, ist ziemlich komisch. Aber man hat ja oft gesagt, daß das Komische und das Tragische sich berühren.«
Pierre Bourdieu
Porn? Story!
Ein junger Mann spielt in einem Gangbang-Porno mit. Dreizehn Jahre später ist der Mann Familienvater, und seine Frau findet den Film auf dem Dachboden. Die Frau, entsetzt, trennt sich, obwohl ihre Freundin anmerkt, daß Entwürdigung durch »abspritzwütige« (Pirinçci) Fremde auch geil sein kann. Der Mann zieht aus, kauft sich einen großen Fernseher und kann jetzt offiziell Porno gucken, soviel er will. Das macht ihn ein bißchen nachdenklich, aber die nächste pornoaffine (Männer-)Generation pubertiert bereits, und außerdem ist das Buch zu Ende.
Das Schlechte an Ralf Königs »Porn Story« (Rowohlt), zu der Nicolas Mahler die expliziten Szenen beigetragen hat, ist, daß die Story fehlt. Statt den Konflikt auszutragen, wird er nur bebildert, schlechter: geleugnet. Natürlich erwarte ich von einem Comic-Künstler keine Soziologie des Pornographischen, aber die Sturheit, mit der König sein schon häufiger bemühtes schwules Mantra »Porno ist für alle geil!« den Heteros (insonderheit der heterosexuellen Frau) anträgt, erstickt die Geschichte da, wo sie anfangen müßte, und nimmt ihr auch allen komischen Atem. »Beim Sex ist man wieder im Urwald«, informiert uns der Altherrenweise Philip Roth im Motto, und also ist der Mann ein Tier und die Gattin leider nicht, während die Internetkinder mit dem nüchternen Youporn-Durchblick Anlaß zu emanzipativer Hoffnung geben – Kunst muß ja, bewahre, weder »korrekt« noch komplex sein, aber bei soviel Holzschnitt kommt, was mich betrifft, das Lachen erst gar nicht so weit, daß es im Halse steckenbleiben könnte.
In Königs sozusagen bivalenten Romanen seit »Wie die Karnickel« (2002) hat die lustbegabte homosexuelle Welt die Aufgabe, der verklemmten heterosexuellen aufs Pferd zu helfen. Dafür, daß diese Idee jetzt restlos auserzählt ist, spricht auch der Kurzauftritt einer schwulen Nebenfigur. Ihr Intermezzo, ein Eifersuchtsdrama in zwölf Bildern, bürgt für das, was König kann, wie für das, was ihn leider nicht mehr interessiert. Mein Interesse an seinen volkspädagogischen Versuchen ist jedenfalls erloschen.