Humorkritik | Dezember 2014
Dezember 2014
Wer am Freitag lacht, der wird am Sonntag weinen.
Jean Racine

Nuhr vs. Allah
»Im Islam ist die Frau zwar frei, aber in erster Linie frei davon, alles entscheiden zu müssen.« Daß dieser öde Satz den Islam bedrohe, ist so blödsinnig wie die Unterstellung, eine einzelne Strafanzeige wegen Religionsbeleidigung gefährde die Kunst- und Meinungsfreiheit, und keinen größeren Gefallen hätte der Osnabrücker Muslim dem Ratinger Rechtsausleger tun können, als diesen zum Voltaire der Leserbriefspalten zu machen, wo der Kabarettist Nuhr doch bloß sein Geschäft versteht, das eins mit dem Ressentiment ist.
Harald Schmidts Polenwitze spielten noch auf der Metaebene, wo die Beziehung zwischen Vorurteil und Witz selbst verhandelt wird. Daß die islamische Frau (gemeint: die Frau vom Gemüsetürken) geknechtet sei, ist aber, anders als die Rede vom klauenden Polen, keine Aussage, über deren Klischeewert soweit Einigkeit besteht, daß auf ihr zu insistieren den Aussagenden in eine zweideutige, zwielichtige Rolle brächte, wie sie seit je Gerd Dudenhöffer als Heinz Becker spielt und die das Lachen, als heikles, gegen den Lachenden wendet; sie ist allein plan paraphrasiertes, »komisch« drapiertes Ressentiment. So wie früher einer bloß »Kohl« zu sagen brauchte, um den Saal einzukassieren, wird die Mitte heute mit »Schleier« in Stellung gebracht, allerdings gegen unten, nicht oben: »Ich habe noch nie so viel Zuspruch bekommen wie in den letzten Stunden. Ich habe gar nicht den Eindruck, daß das polarisiert. Ich kriege fast ausschließlich positive Rückmeldungen« (Nuhr zur Welt am Sonntag).
»Ihr werft dem Tier im Menschen Futter hin / Damit es wächst, das Tier tief in euch drin!« (Kästner) – das ist der (faschistoide) Hund, auf den das Kabarett hier gekommen ist. Gratulation.