Humorkritik | Dezember 2014

Dezember 2014

Wer am Freitag lacht, der wird am Sonntag weinen.
Jean Racine

Eigentlich geht Sie das nichts an

Er hat Thomas Bernhard auf einer Party beleidigt, wurde als Musikkritiker von einem rezensierten Cellisten geohrfeigt, von seinem knabenliebenden Religionslehrer hingegen gemieden; in Elfriede Jelinek fand er seine Hochzeitsvermittlerin, in Harald Schmidt seinen Freundfeind, im MAD-Magazin seine Erfüllung. Bastian Pastewka brachte er zum Kotzen, und beim Dreh mit Sky Dumont wäre er fast getötet worden. Dazwischen immer wieder: Zweifel, Existenzangst, Selbsthaß. Dochdoch, in Herbert Feuersteins 77 Lebensjahren ist einiges zusammengekommen – jedenfalls genug für 380 Seiten (»Die neun Leben des Herrn F.«, Ullstein). Wobei ich zugeben muß: Mitunter kam mir die Lektüre vor wie eine Liveschaltung, bei der manchmal lange nichts passiert, die Kamera aber unerbittlich draufbleibt. Dann erzählt Feuerstein nämlich auch haarklein vom Ablauf seines Abiturs (viereinhalb Seiten), von seiner Flugscheinprüfung, seinen 600 Flugstunden und seinen 671 Flügen (sechs Seiten) und teilt mit, wie er in seinem Schlafzimmer schwarze Korkplatten verlegte (fast zwei Seiten). Hier waltet der bedingungslose Wille zur Vollständigkeit.

Das ist aber auch das einzige, was ich an Feuersteins Buch auszusetzen habe. Denn selbst drögere Begegnungen wie jene mit seinem New Yorker Nachbarshund enthalten hübsche Beobachtungen: »Ein Beagle-Verschnitt, dessen überlange Schlappohren man beim Füttern festhalten mußte, weil er so gierig war, daß er sonst die Ohren mitgefressen hätte.« Und eigentlich muß ich auch diesen Vorwurf des Vollständigkeitsdrangs zurücknehmen, denn wenn es allzu intim wird, blendet Feuerstein aus: »Und so fanden wir zueinander, wann und wie weiß ich nicht mehr und würde es Ihnen auch nicht erzählen. Es ist schlimm genug, daß Sie die ganze Zeit schon mitlesen, denn eigentlich geht Sie das alles gar nichts an.«

Kaufen Sie dieses charmant-abgründige Plauderbuch. Ob Sie es danach aus Diskretionsgründen im Regal stehenlassen, sei Ihnen freigestellt. Geht mich ja nichts an.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
01.12.2023 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer
01.12.2023 Karben, Kulturscheune im Selzerbrunnenhof Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
02.12.2023 Itzehoe, Lauschbar Hauck & Bauer
03.12.2023 Kassel, Studiobühne im Staatstheater Kassel Ella Carina Werner