Humorkritik | Dezember 2014

Dezember 2014

Wer am Freitag lacht, der wird am Sonntag weinen.
Jean Racine

Überfischt

Das Elend der guten Schriftsteller ist, daß die schlechten sie nachahmen. Arezu Weitholz zum Beispiel ist darauf verfallen, Fischgedichte und -geschichten zu schreiben, die der »Manier von Ringelnatz, Morgenstern und Gernhardt« (Zweitausendeins-Reklame) folgen. Gernhardt wird in der Reklame nur aus Reklamegründen erwähnt; die beiden anderen Namen haben das Pech, zu Recht genannt zu werden. Denn wie verhalten sich die Fische, die Arezu Weitholz aus dem großen Meer der Sprache fängt? Der Stör, große Überraschung, stört seine Mitfische; der Stichling sticht, der Büffelfisch büffelt fleißig, der Trompetenfisch musiziert. Es gibt »Fotografische« und – so einfach geht das, wenn man den Bogen bzw. die Angelrute raushat – folglich auch den »Kartografisch« und den »Telegrafisch«. Aale tummeln sich ebenfalls die Menge: der »Aalphabet« liebt Buchstaben, »Aal Capone« ist der »Erfinder des organisierten Verbrechens im Meer«, im Beifang finden sich die »Aallergie« und der »Digitaal«, und wenngleich der Anaal fehlt, wird die Lektüre doch irgendwann zur Quaal.

Selbst die Illustrationen verschaffen keine Linderung: Was Weitholz in ihren Büchern »Mein lieber Fisch«, »Merry Fishmas« und »Ein Fisch wird kommen« an kindlichen Bilderchen präsentiert, läßt vermuten, die Autorin sei einst bei dem Buch »Wir zeichnen Tiere. Eine Zeichenanleitung für Kinder mit Versen von James Krüss« in die Schule gegangen und habe später nichts dazugelernt. Genauso anspruchslos wie ihre Maltechnik sind die 1:1 umgesetzten Motive: »Ich steche in See« sagt der Fisch, der ein Messer in der Flosse hält, und der »Telegrafisch« sitzt halt auf einem Telegrafenmast, mehr braucht es nicht.

Was es immerhin braucht, sind Routine und Handwerk – und selbst die nicht. Die »Bärsche«, obwohl kein Reimzwang zum Umlaut verpflichtet, tauchen zwar nur ein Mal auf, unzählige Male jedoch zappelt die Metrik hin und her zwischen Jambus, Trochäus und was es noch so gibt, beispielsweise in dem Gedicht auf den an Gott zweifelnden Heiligen Sankt Peter: »Bald konnt er nicht mehr gerade beten / schon gar nicht übers Wasser laufen. / Da ging er dann die Störe treten / und den Meßwein alle saufen«. »Gerade« dichten kann Arezu Weitholz also auch nicht.

Aber singen! Als vor Jahresfrist in Hannover die »Buchlust«, die niedersächsische Buchmesse, stattfand, besuchte ich ahnungslos die Lesung der mir noch unbekannten Weitholz und hörte mit Schaudern ihre Fischgedichte; bzw. sah ihre mit Beamer an die Leinwand geworfenen Zeichnungen. Als sie dann »Ein Fisch wird kommen« zu singen anhob und das Publikum – lauter erwachsene Leute! – begeistert einfiel, blieb dem alten Mentz nur noch die Flucht. Und lange brauchte er, um wieder zu sich zu kommen und dies zu schreiben.

Auf Weitholz’ lyrisch-musikalische Beratung legt übrigens wer großen Wert? Herbert Grönemeyer, Udo Lindenberg und die Toten Hosen. Da fällt einem doch so manches wie Schuppen aus den Flossen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
09.12.2023 Leipzig, Kupfersaal Martin Sonneborn mit Gregor Gysi
10.12.2023 Kassel, Bali-Kino/Kulturbahnhof Gerhard Henschel
10.12.2023 Frankfurt, Elfer Ella Carina Werner
11.12.2023 Frankfurt, Stalburg-Theater Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige