Humorkritik | Februar 2012
Februar 2012

Der Mikado in München
Über die Schwierigkeit, die komischen Opern der viktorianischen Autoren Gilbert und Sullivan auf deutsche Bühnen zu bringen, habe ich mich schon ausgelassen (TITANIC 3/2011) — nicht ohne diesen Anstrengungen Respekt zu zollen. Vor kurzem hat sich das Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz mit einer Inszenierung des »Mikado« (UA: 1885) vorgewagt, eben jenem Stück, dessen Premiere auch im Zentrum von Mike Leighs prachtvollem Historienfilm »Topsy-Turvy« (1999) steht. Im Gegensatz zur Inszenierung der »Piraten« in Oldenburg letztes Jahr ist man hier nicht unterbudgetiert, versteht sich auch stärker als historische Operninszenierung, nicht so sehr als Musicalspaß. Um die Geschichte aus jenem phantastischen Japan, in welchem der Kaiser das Flirten bei Todesstrafe verboten hat, der Vorlage gemäß zu erzählen, hat man erkennbar Fachliteratur gewälzt. Stimmen und Orchester operieren auf hohem Niveau; die solide, leicht altertümelnde Übersetzung von Brandin und Assmann geht gut ins Ohr.
Leider hat man sich nicht getraut, es bei ihr zu belassen. Mit der Einführung einer Erzählerfigur, welche die lustigsten Dialoge in zwei Sätzen zusammenfaßt, fängt es an, mit höchst ärgerlichen Bearbeitungen einzelner Songs hört es auf. Wo der Librettist Gilbert mit der gesungenen Todesliste des Lord High Executioner hübsch unkorrekt lärmenden Kindern und schlechten Schriftstellerinnen den Tod wünscht, mokiert sich der Münchner Scharfrichter hier über Guttenberg, den »Politiker, der nur noch von der Eurokrise schwätzt, und die Banken, die noch immer Zinsen machen bis zuletzt«. Notabene: Spontane Aktualisierungen des Librettos, die sogenannten quips, waren schon zu Gilberts Zeit legitim und erwünscht – daß sie aber derart muffig moralkabarettistisch daherkommen, sicher nicht. Sie stammen wohl aus derselben Feder wie die Pressemitteilung, welche das Stück mit horriblen Nichtigkeiten wie »ihr schwarzer Humor à la Monty Python provoziert die Lachmuskeln« anpreist. Man wünscht Gilbert und Sullivan mehr deutsches Publikum und weniger deutsche Dramaturgen.