Humorkritik | Juni 2011

Juni 2011

Dampfhammer-Sozi Spencer

»Kaum fing ich wieder an zu schwimmen, wurde ich umgehend italienischer Meister im Freistil (was ich übrigens nie trainiert hatte).« Carlo Pedersoli, besser bekannt als Bud Spencer, ist vieles im Leben anscheinend mühelos gelungen. Da wundert’s einen nicht, daß nun auch seine Autobiographie (»Bud Spencer. Mein Leben, meine Filme«, Schwarzkopf & Schwarzkopf) ganz oben in den Bestsellerlisten steht. Für mich ist sie vor allem unter einem humorkritischen Aspekt interessant: Weshalb ist bzw. war gerade die Spencersche Brachialkomik über Generationen hinweg so erfolgreich, besonders in Deutschland?

Liegt es an der Synchronisation? Zwar haben die Übersetzer um den mittlerweile schon legendären Rainer Brandt mit Sprüchen wie »Werft die Friedensgabeln ins Gemüse!« oder »Wenn du mich noch mal duzt, hau ich dir ’ne Delle in die Gewürzgurke« einen eigenen Schnodderjargon geschaffen, der in seinen besten Momenten auch nach Jahrzehnten noch als Nonsens überzeugt – doch insgesamt auch viel Klägliches und Bemühtes bietet.

Das Duo Bud Spencer/Terence Hill entstand aus der überfälligen Wendung des Italowesterns in die Farce. Die Charaktere erwiesen sich eher zufällig als so prägnant und universal, daß sie in zeitgenössische Klamaukstoffe und fast jedes Genre übertragen werden konnten. Letztlich verkörperte vor allem Spencer das Prinzip dieser Filme, das auch mit anderen Partnern funktionierte: Hauptsache, sie reizten den genervten Dicken mit der einfachen Konfliktlösungsstrategie und aktivierten zugleich dessen Beschützerinstinkt.

Der vielseitigen Verwendbarkeit eines stets gleichbleibenden Charakters verdanken wir endlose Variationen dieser Fresse-voll-Filme, auch wenn Pedersoli seine Schauspielfähigkeiten eher realistisch einschätzte: »Ich verspürte, auch mit zunehmendem Erfolg, eine gewisse Scham.« Keiner seiner Filme ist besonders originell, aber die besten verfügen über eine Dreistigkeit, der sich kleine Jungs jeden Alters und Geschlechts nicht entziehen können – und obendrein über das, was Pedersoli als elementaren Identifikationsmechanismus beschreibt: »Ich war der Starke, der den arroganten Bösewichten Ohrfeigen verpaßt und so die Schwachen rächt. An meiner Seite waren Kinder, die Alten und die Frauen sowie die Furchtsamen und Schüchternen sicher vor den Wichtigtuern, da in den Geschichten von Bud Spencer die Ohrfeigen genau dort landeten, wo Worte und Gebete nicht mehr weiterhalfen.«

Bud-Spencer-Filme versprühen den heimeligen Charme der alten Sozialdemokratie: Wenn Herrschaftskarikaturen von dampfhammerstarken Proletariern die Fresse poliert bekommen, ist das fürs Publikum Bestätigung und Erleichterung im Arrangement mit den herrschenden Verhältnissen. Und alles bleibt sauber: Niemals fließt Blut, keiner wird dauerhaft verletzt, die Grenzen des Bürgerlich-Familiären werden nie überschritten (weswegen z.B. Hill nur eine verschämte und Spencer gar keine Sexualität besitzt), und die Rebellion schafft’s nie zur Revolution. Denn am Ende kommt die Bundespolizei, die Armee oder eine andere Macht, und die zwei bis vier Fäuste fügen sich dem Halleluja. Im Gegensatz zur SPD würde Bud Spencer in Deutschland jede Wahl gewinnen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie wiederum, André Berghegger,

haben als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes nach dem Einsturz der Dresdner Carolabrücke eine »Investitionsoffensive für die Infrastruktur« gefordert, da viele Brücken in Deutschland marode seien. Diese Sanierung könnten jedoch Städte und Gemeinden »aus eigener Kraft kaum tragen«, ergänzten Sie. Mit anderen Worten: Es braucht eine Art Brückenfinanzierung?

Fragt Ihre Expertin für mehr oder weniger tragende Pointen Titanic

 Tatütata, LKA Niedersachsen!

»Ganz viel Erfolg morgen bei der Prüfung, liebe Karin«, sagt angeblich das gesuchte ehemalige RAF-Mitglied Burkhard Garweg gut gelaunt in einem Video, das bei der Fahndung im Presseportal unter der Rubrik »Blaulicht« veröffentlicht wurde. Die Fahnder/innen erhofften sich dadurch, so heißt es, neue Hinweise, und richten sich deshalb mit den Fragen an die Bevölkerung: »Wer ist ›Karin‹ bzw. ›Carin‹?« und: »In welchem Zusammenhang steht sie zu Burkhard Garweg?«. Schön und gut, da möchten wir nach einem derartigen Cliffhanger nun aber auch die Frage hinzufügen: Wie ist Karins Prüfung denn nun eigentlich gelaufen?

Hinweise an Titanic

 Puh, Lars Klingbeil!

Gerade wollten wir den Arbeitstag für beendet erklären und auch die SPD mal in Ruhe vor sich hin sterben lassen, da quengeln Sie uns auf web.de entgegen, dass es »kein Recht auf Faulheit gibt«. Das sehen wir auch so, Klingbeil! Und halten deshalb jeden Tag, an dem wir uns nicht über Ihren Populismus lustig machen, für einen verschwendeten.

Die Mühe macht sich liebend gern: Titanic

 Hmmm, Aurelie von Blazekovic (»SZ«)!

Am Abend der Wahlen in Thüringen und Sachsen hatte die ZDF-Chefredakteurin Schausten dem 1. September 2024 den 1. September 1939 an die Seite gestellt, und dazu fiel Ihnen dies ein: »Das Dämonisieren von Rechtspopulisten hatte bisher keinen Erfolg. Egal, wie richtig es ist, dass die AfD gefährlich, radikal, extrem ist. Politiker, Journalisten, Demokratieverteidiger können das immer noch lauter und lauter rufen – aber es bringt nichts. Die berechtigten Warnungen sind inzwischen leere Formeln. Die Wahlergebnisse der AfD sind immer besser geworden, der Trotz immer erheblicher. Die Tatsache, dass sie sich beständig als Opfer von Medien inszenieren kann, hat der Partei genutzt. Es ist nicht die Aufgabe von Bettina Schausten, die AfD kleinzukriegen, sondern die der anderen Parteien. Sie sollten mal über den Tim-Walz-Weg nachdenken. Ist Björn Höcke etwa nicht weird

Ist er. Hitler war es auch, und ihn als »Anstreicher« (Brecht) oder inexistenten Krachmacher (Tucholsky) zu entdämonisieren, hat bekanntlich so viel gebracht, dass diese Sätze nie haben fallen müssen: »Man hat mich immer als Propheten ausgelacht. Von denen, die damals lachten, lachen heute Unzählige nicht mehr, und die jetzt noch lachen, werden in einiger Zeit vielleicht auch nicht mehr lachen.«

Wegweisend winkt Titanic

 Ho ho ho, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro!

Ho ho ho, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro!

Mitten im Streit um das wohl von Ihnen manipulierte Wahlergebnis bei der Präsidentschaftswahl haben Sie wieder einmal tief in die politische Trickkiste gegriffen: »Es ist September, und es riecht schon nach Weihnachten«, frohlockten Sie in einer Fernsehansprache. »Als Dank an das kämpferische Volk werde ich daher Weihnachten per Dekret auf den 1. Oktober vorziehen.«

Wir haben sogar eine noch bessere Idee, Maduro: Könnten Sie nicht per Dekret Weihnachten von Anfang Oktober bis Ende Dezember stattfinden lassen? Im Gegensatz zum Kanzler in seinem kapitalistischen Schweinesystem können Sie doch sicher bestimmen, dass die planwirtschaftliche Lebkuchen-Vanillekipferl-Produktion schon im Juni anläuft. So können Sie sich nicht nur ein paar Tage, sondern ganze drei Monate Ruhe zum Fest schenken!

Rät Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Schrödingers Ruhebereich

Wenn es im Abteil so still ist, dass ein Fahrgast einschläft und dann übertrieben laut schnarcht.

Loreen Bauer

 Aus der militärgeschichtlichen Forschung

Feldjäger sind auch nur Sammler.

Daniel Sibbe

 Alle meine Aversionen

Was ich überhaupt nicht schätze:
»Mädchen, ich erklär dir ...«-Sätze.

Was ich nicht so super finde:
Bluten ohne Monatsbinde.

Was ich gar nicht leiden kann:
Sex mit einem Staatstyrann.

Den Rest, auch Alkoholkonzerne,
mag ich eigentlich ganz gerne.

Ella Carina Werner

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
09.10.2024 Lorsch, Theater Sapperlott Max Goldt
11.10.2024 Coesfeld, Stadtbücherei Gerhard Henschel
12.10.2024 Bad Lauchstädt, Goethe Theater Max Goldt
12.10.2024 Freiburg, Vorderhaus Thomas Gsella