Humorkritik | Juni 2011

Juni 2011

Recreational Comedy

Gerade als man dachte, der große Sitcomtrend der letzten Dekade sei tot, beweist nun doch noch eine Mockumentary im Stile von »The Office« das Gegenteil: »Parks and Recreation« (NBC) dürfte, neben »Modern Family«, derzeit die beste US-Sitcom sein. Denn sie gibt dem dokumentarischen Stil das zurück, was bei der amerikanischen »Office«-Version zuletzt arg fehlte: Relevanz.

Man könnte es beinah satirisch nennen, wie »Parks and Recreation« die kommunale Politik in der amerikanischen Provinz beschreibt: Leslie Knope (Amy Poehler) ist die stellvertretende Leiterin des Grünflächenamtes im (fiktiven) Städtchen Pawnee, Indiana. Ihr ungebrochener Enthusiasmus für Parkanlagen, Spielplätze und ihren Job kollidiert ständig mit der Haltung ihrer Kollegen, die längst resigniert haben, auf ihre Verrentung warten, nur ihren eigenen Vorteil suchen oder ganz generell gegen jede Form von Staat und Regierung sind, wie ihr Vorgesetzter Ron Swanson (hervorragend mit Betonfrisur, Schnauz und stets todernstem Gesicht: Nick Offerman).

Knopes größtes Projekt zu Beginn der Serie ist es, aus der aufgelassenen Grube eines gescheiterten Bauunternehmens einen: Stadtpark zu machen. Und zwar, falls nötig, auch gegen den Widerstand der Erzfeinde des »Parks and Recreation«-Departments: der Bibliothekenverwaltung, die dort eine Bücherei errichten möchte. Keine leichte Aufgabe für Knope, die Leute von der Bibliothekenverwaltung sind schließlich sehr belesen. Doch Leslie nimmt die Herausforderung gutgelaunt und kämpferisch an.

Nur beinah satirisch ist »Parks and Recreation«, weil die Scherze über unfähige Stadtplaner, korrupte Kommunalpolitiker und Wutbürger, die sich sogar darüber beschweren, daß auf dem im Park gefundenen Sandwich kein Senf war, nie zu aufklärerisch werden. An erster Stelle steht immer der komische Effekt – und der beruht einerseits  auf den prima gezeichneten Charakteren, wie man sie aus britischen Sitcoms kennt (die permanent gelangweilte, apathische Praktikantin etwa ist ein Musterbeispiel beobachtender Comedy), andererseits auf einer Gagdichte, wie sie nur US-Sitcoms hinbekommen.

Allein die vielen Fresken in der Stadtverwaltung sind schon ein unerschöpflicher Quell von Komik: Gemalt im naiven Realismus der dreißiger Jahre, verprügelt da ein weißer Farmer seine Frau, wird ein gefesselter Indianerhäuptling von US-Soldaten mit einer großen Kanone erschossen oder eine Hochzeit zwischen einem Indianer und einer Weißen sowohl von aufgebrachten Rothäuten als auch weißen Siedlern brutal überfallen – selten hat man in einer Network-Sitcom so explizite Witze über die amerikanische Geschichte gesehen. Solche Scherze gehen vermutlich nur durch, weil sie in einem vordergründig heiteren und harmlosen Rahmen erzählt werden, wie ihn die US-Version von »The Office« eben auch hat.

Tatsächlich stammen die Serienmacher Greg Daniels und Michael Schur aus dem kreativen Team der US-»Office«-Produktion, und auch Rashida Jones, eine der »P&R«-Hauptfiguren, hat man dort schon gesehen. Doch »Parks and Recreation« darf nicht als Spin-off mißverstanden werden. Vielmehr handelt es sich um eine leider sträflich unterbewertete politische Sitcom, die den Vergleich mit dem brillanten britischen »The Thick of It« nicht scheuen muß: gerade weil sie dem bösartig beißenden Humor der Engländer, die mit ihren Regierungspolitikern ins Gericht gehen, einen hinterhältig-nachsichtigen Blick auf Provinzpolitiker der mittleren Ebene entgegensetzt, der aber genauso aussagekräftig ist.

Und, falls ich das noch nicht oft genug gesagt haben sollte, sehr, sehr komisch.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
11.12.2023 Frankfurt, Stalburg-Theater Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
12.12.2023 Frankfurt, Stalburg-Theater Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
15.12.2023 Oelde, Haus Nottbeck Heiko Werning & Brauseboys
18.12.2023 Frankfurt, Mousonturm Max Goldt