Humorkritik | Juni 2011
Juni 2011

Mini-Metallenzyklopädie
Wenn ich mich recht erinnere, war es in der MTV-Serie »Die Osbournes«, wo ein schwer gezeichneter Ozzy O. eine ernüchternde Lebensbilanz zieht. Er läßt Niederlagen und Enttäuschungen Revue passieren, findet dann aber Trost in der Erkenntnis: »Man kann über mich sagen, was man will, aber ich bin nicht Sting.«
Womit illustriert wäre, daß Humor, Selbstironie und Heavy Metal – den Scorpions zum Trotz – durchaus zusammenfinden können. Und dennoch ist es angebracht, einem Buch, welches »111 Gründe, Heavy Metal zu lieben« (Schwarzkopf & Schwarzkopf) heißt, ein gerüttelt Maß Skepsis entgegenzubringen. Es gibt zu viele als Bücher getarnte Listen (»X Bücher, die Sie lesen müssen«, »Y Gründe, warum Frauen Fußball hassen« etc.). Inhaltlich sind diese Elaborate meist nicht mehr als das, was man in der Filmbranche cutting room floor material nennt: Texte, die aus anderen Texten rausgeflogen sind und dann bloß zusammengeschustert wurden.
Doch dieser »Kniefall vor der härtesten Musik der Welt« spielt in einer anderen Liga. Autor Frank Schäfer kennt das Metier als Kritiker, als Musiker und vor allem: als Fan. Die »111 Gründe« sind eine Sammlung von Bandbiographien, geschichtlichen Exkursen, Essays, Anekdoten und Konzertberichten. Zusammen ergeben sie eine Mini-Enzyklopädie des Genres, die die freiwillig komischen Aspekte (z.B. den Film »This is Spinal Tap«) so wenig ausspart wie die unfreiwilligen (»Vince Neil reckte wie immer stolz sein Kinn in die Festbeleuchtung, und das zweite natürlich auch«). Da beeindruckt das Fachwissen ebenso wie die Sicher- und Gelassenheit des Urteils. Die Anfänge in den Sechzigern werden ebenso gewürdigt wie die düsteren Verlautbarungen skandinavischer Gruselrocker. Selbst grotesken Kasper-Combos wie Kiss oder Mötley Crüe kann der Verfasser durchaus Positives abgewinnen.
Die Erkenntnis, Heavy Metal sei evtl. mehr als nur ein leicht angestaubter Bürgerschreck, ist beileibe nicht neu. Wenn man bedenkt, daß das vorerst abgesetzte Provinzmonarchenpaar von, zu und bei Guttenberg damit prahlte, zu AC/DC-Konzerten zu gehen, wird deutlich, wie weit die Vereinnahmung der ehemaligen Subkultur fortgeschritten ist. Gegen diesen Trend bietet Frank Schäfers Buch Schützenhilfe.