Humorkritik | April 2011

April 2011

Ein Jubiläum

Am 4. März dieses Jahres war es soweit: Unter dem Motto »Schauen, Staunen, Stolpern« erschien eine Zeichnung von Ivan Steiger auf der Titelseite der FAZ: »Die Neuntausendste« steht fett darunter. Und weiter geht die Laudatio: »Die Neunte von Beethoven und Ivan Steigers Karikaturen haben das Eigentliche aller Kunstwerke gemeinsam: Sie lassen sich tausendfach deuten, ohne je ausgedeutet zu sein…«

Ich glaube, daß dieser Vergleich der eigentlichen Bedeutungslosigkeit der Zeichenkunst Ivan Steigers nicht gerecht wird. Was er seit fast vierzig Jahren in der FAZ vorgelegt hat, geht weit über Beethoven – der übrigens nicht karikierte, sondern komponierte – hinaus. »Der in Deutschland beheimatete Tscheche – oder ist es umgekehrt?« – dieser scheinbar sinnlose Umkehrschluß muß angesichts seiner neuntausend zusammengestrichelten Zeichnungen erlaubt sein: Lebt Steiger womöglich immer noch in einem jener böhmischen Dörfer, zu deren Bewohnern die frohe Kunde vom Ende der stalinistischen Zensur noch gar nicht vorgedrungen ist? Zeichnet er deswegen so undeutlich, so sinnfrei, so unkomisch? Kann oder will er sich nicht festlegen?

Schauen wir uns diese neuntausendste Zeichnung nur einmal an: Vor dunklem Hintergrund läuft ein gutes Dutzend freudig erregter Strichmännchen und -weibchen einem vierzehnten nach, der eine Zeitungsdoppelseite so vor sich herträgt, daß er sie nicht lesen kann.

Staunen wir über den Lichtkorridor, der sich vor dieser Doppelseite auftut, denn ob das Licht der Erkenntnis von der Zeitung ausgeht oder von außen auf sie gefallen ist, bleibt unklar. Klar ist nur, daß die Strichmenschlein ebensowenig davon haben wie ihr Führer, dem sie blindlings folgen. Wer ist dieser Führer? Prometheus? Beethoven? Steiger selbst?

Stolpern wir am Ende über die Behauptung des Laudators, der Zeichner gebe seinem Publikum damit »das schönste aller Gefühle bei der Zeitungslektüre: die Gewißheit, das Dargebotene richtig zu verstehen.« Mal abgesehen davon, daß diese Gewißheit sich mit der Prämisse unendlicher Deutungsmöglichkeiten nur schlecht verträgt – ich bin mir immer noch ziemlich sicher, daß Ivan Steiger schon mit wenigen dürren Strichen etwas erreicht, das Beethoven erst mit seiner zehnten Symphonie erreicht haben dürfte: das absolute Nichts. Das Nichtsfürungut, sozusagen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg