Humorkritik | April 2011
April 2011
Keine Wunder, aber Zeichen
Zu den besonders interessanten Untergruppen des Humors zählt das, was der sogenannte Kindermund äußert, für gewöhnlich nicht; zumal, wenn dessen Verlautbarungen in Schriftform daherkommen und am Ende auch noch so stilisiert sind wie im Fall von Hanns-Josef Ortheils »Die Moselreise«. Das bei Luchterhand erschienene Werk ist die Wiedergabe eines Reisetagebuchs aus dem Jahr 1963, in dem der damals Elfjährige sich bereits auf einem an Ror Wolf oder Robert Walser gemahnenden Niveau bewegt, wie der Eintrag »Das Privatquartier« illustrieren mag: »Ein Privatquartier ist eine richtige Wohnung, in der eine Familie wohnt. Im Zimmer des Privatquartiers hört man die Familie wohnen, direkt nebenan. Will man im Privatquartier auf die Toilette, muß man durch den Flur der Wohnung. Dann spricht die Familie, die in der Wohnung wohnt, einen an und sagt einem, wo die Toilette ist. Kommt man von der Toilette, spricht einen die Familie wieder an. Das ist anstrengend.«
Viel interessanter finde ich da die Komikhervorbringungen beispielsweise Schizophrener oder Dementer, wie zum Beispiel August Geiger, dessen unfreiwilliger Humor erfolgreich vom Schriftstellersohn Arno in »Der alte König in seinem Exil« (Hanser) referiert bzw. ausgeschlachtet wurde. In kleinen Szenen: »Ich reiche ihm seine Socken, er betrachtet die Socken ein Weilchen mit hochgezogenen Augenbrauen und sagt dann: ›Wo ist der dritte?‹« In Aperçus wie: »Es geschehen keine Wunder, aber Zeichen.« Und kleinen Dialogen à la: »Papa, du willst in Ägypten gewesen sein?« – »Natürlich nicht freiwillig, sondern im Rahmen der Kinderlandverschickung.«
Das ist ja in der Tat ganz originell, hat aber doch das, was man gemeinhin ein »Gschmäckle« nennt. Ich zumindest möchte nicht unbedingt mit meinen krankheitsbedingten Geistesblitzen zitiert werden, sondern lasse mich lieber für meine unter Mühen und im Schweiße meines Angesichts ganz bewußt erarbeiteten Leistungen loben.