Humorkritik | August 2010

August 2010

Neue alte Zukunft

Sieben Jahre nach dem Ende der Serie gibt es neue Folgen von »Futurama«. Matt Groenings zweites Projekt konnte einst im Schatten der »Simpsons« kein annähernd so großes Publikum aufbauen wie die Stars aus Springfield. Aber immerhin ein so beharrliches, daß es über DVD-Käufe die Wiederkehr der Sci-Fi-Parodie ermöglichte. Neuauflage bedeutet jedoch nicht, daß die ursprüngliche Qualität gehalten wird – selbst wenn nahezu das gesamte alte Team wieder mitarbeitet. Das beweist eindrucksvoll der reanimierte »Family Guy«: Dort wird seit der Wiederbelebung (und in zwei Ablegerserien) vorwiegend Beliebiges produziert. Könnte es »Futurama« da nicht besser machen?

 

Das neue »Futurama« macht zumindest in vielerlei Hinsicht den Eindruck, als hätte es keine siebenjährige Pause gegeben. Es glänzt wie einst mit klug strukturierten Handlungsverläufen und einigen schönen Scherzen (Prof. Farnsworth: »Stammzellen waren vielleicht zu deiner Zeit kontrovers, Fry, aber jetzt? Pah! Außerdem verwende ich keine embryonalen Stammzellen, sondern Stammzellen von gesunden erwachsenen Menschen, die ich getötet habe, um an ihre Stammzellen zu gelangen.«)

 

Für den Aufbau von Serien dieser Art gilt: Entweder man leimt grob gehauene Versatzstücke mit möglichst hoher Pointendichte aneinander (bei »Family Guy« und vermehrt auch bei den »Simpsons«), oder man erzählt mehr oder minder parallel und chronologisch ein bis zwei Geschichten, die eher durch die satirische Grundierung amüsieren sollen (»South Park«, »American Dad«). »Futurama« gehört im Ansatz zur zweiten Kategorie, versucht aber, die Witzdichte der ersten zu erreichen.

 

Dies führt leider auch zu vielen eher simplen Gags (z.B. den Namen des neuen Senders in die Handlung einzubauen und von einer Figur »in die Kamera« sprechen zu lassen) und neuerdings zu plumper Drastik:So wird irgendwo ein Bad aus Alien-Ziegenausscheidungen eingelassen, in das der Verlierer einer Wette springen soll.

 

Dank der Grundidee, die Hauptfigur Fry aus der Gegenwart ins Jahr 3000 zu schicken, operiert die Serie immer noch geschickt in der Schnittmenge von Science Fiction und Satire; Personal und Themen unserer Zeit lassen sich leicht übertragen und der weit in die Zukunft gespannte Erzählbogen erlaubt freien Nonsens. »Futurama« gelingt es so immer wieder, relevante Themen schnell und komisch zu verarbeiten – doch leider nur sporadisch. Dadurch hinterläßt die Serie einen eher bemühten Eindruck. Die Methode, möglichst viele Wendungen und Witze in jede einzelne Szene zu packen, funktioniert nur, wenn nach zwei mäßigen Pointen wenigstens die dritte zündet und die Handlung dennoch verständlich bleibt.

 

Mir scheint das Prinzip dann doch ziemlich ausgereizt, zu einem Standard erstarrt, wie man das ähnlich bei Late-Night-Shows und vielen Sitcomformen beobachten kann. Aber, wer weiß, im Jahr 3000 mag das vielleicht schon wieder so erfrischend wirken wie »Futurama« noch vor sieben Jahren.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg