Humorkritik | August 2010

August 2010

Fuchs sein

Die Scorpions, das ist bekannt, sind lebende Legenden des deutschen Humorschaffens. Da wird es mir ja wohl erlaubt sein, auf ein frühes, weniger bekanntes Kapitel ihrer Biographie hinzuweisen. Unter dem Tarnnamen The Hunters schickte sich die Hannoveraner Band im Jahr 1975 an, den heimischen Schlagermarkt zu knacken. Ihr Prä-Metal-Krautrock war zwar schon leidlich erfolgreich, aber mit eingedeutschten Versionen internationaler Hits ließ sich damals Mark machen. Und so nahm Electrola, heute nicht umsonst die Labelheimat von Howard Carpendale, Tim Toupet, Mickie Krause, den Höhnern und anderen Schießbudenfiguren, eine Single mit ihnen auf, die zwei Coversongs der Bubblegum-Hardrocker Sweet enthielt. Der bis dato für unübersetzbar gehaltene Chartburner »Action« wird hier zu »Wenn es richtig losgeht«, und bereits die erste Gesangsstrophe kündet – wenn auch etwas holprig – von einer ziemlich realistischen Selbsteinschätzung: »Ja, du siehst das falsch, / denn ich bin kaum der Typ, / den du verbrauchst / zum geistigen Bedarf.« Das stimmt heute immer noch genauso wie vorgestern.

 

Zu Recht auf die A-Seite hat es aber ihre Anverwandlung von »Fox On The Run« geschafft. Aus dem Stück über ein Groupie, dessen Namen das lyrische Ich gar nicht so genau wissen will, weil es nicht mehr so toll aussieht wie früher, machen die Hunters/Scorpions ein Tierschützer-Lied: »Fuchs geh voran«. »Hey-hey, / du wunderschönes Tier / Ich komm und helfe dir, / bist du mal in Gefa-a-ahr. / Okay-ay, / sie wollen alle nur dein Fell, / und wer das hat, verkauft es schnell – / ja, das ist leider wa-a-ahr.« Deshalb ihr guter Tip für die gefährdete Kreatur: »Fuchs, geh voran / und lauf, so schnell du laufen kannst, / die Meute, die dich jagt, die ist / schon so nah dra-an. / Fuchsi, geh vora-a-an. / Fuchsi-Fuchs, komm sei schlau, / geh in den Bau.«

 

Aber Klaus Meine und seine Mit-Hunters belassen es eben nicht nur bei wohlfeilen Ratschlägen für Reineke Fuchsi-Fuchs. Nein, sie wenden sich in der zweiten Strophe direkt an die Waidmänner und schreiben ihnen eine geharnischte Warnung ins Stammbuch. »Hey- hey, / ich sag euch, her mit dem Gewehr. / Ich geb’s euch dann nie wieder her. / Was soll die Wilderei-ei-ei. / Nei-ein, / das ist ein arger Lump, / der tötet ohne Grund, / haut ab mit eurem Lei-ei-ei …«

 

Da verlassen Meine die Worte, so aufgewühlt ist er. Was mag dieses abschließende »Lei-ei-ei« nur bedeuten? Eigentlich kommt ja nur »Leid« in Frage. Klingt zwar auch bekloppt, aber das wäre für die Scorpions nichts Ungewöhnliches. Es ist offenbar das »Leid«, das die Jäger der Tierwelt zufügen. Und zugleich meint es wohl auch – o wundervolle Selbsterkenntnis! – das Leid, das die Jäger (i.e. The Hunters vulgo Scorpions) über uns arme Füchse, will sagen: die Menschheit, gebracht haben. Da sage einer, sie hätten uns nicht gewarnt. Viermal noch schärft er uns ein: »Fuchsi, geh vora-a-an. / Fuchsi-Fuchs, komm, sei schlau, / geh in den Bau.«

 

Beschließen möchte ich meine Interpretation mit einem Satz von Johann Wolfgang von Goethe, der allerdings auch einem Klaus Meine hätte einfallen können: »Nicht nur einen roten Schwanz haben, auch Fuchs sein!«

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick