Humorkritik | Mai 2009

Mai 2009

Zeugs für Weiße

Was haben Musikpiraterie, mehrsprachig erzogene Kinder, Ironie, Michel Gondry, die Produkte von Apple, Sushi und Independentmusik gemeinsam? Ganz einfach: Sie gehören alle zum »Stuff White People Like«. Ebenso wie Religionen, denen die eigenen Eltern nicht angehören:

 

»Von Weißen hört man oft, sie seien ›spirituell‹, aber nicht religiös. Was normalerweise bedeutet, daß sie an jede Religion glauben könnten, in der Jesus nicht vorkommt. Beliebt sind Buddhismus, Hinduismus, die Kabbalah und, aber nicht so sehr, Scientology. Ein paar probieren es sogar mit dem Islam, aber nicht sehr viele, weil man dafür Sachen aufgeben und tatsächlich zur Moschee gehen muß. Hauptsächlich finden sie Religionen gut, die zu ihrer Inneneinrichtung und ihrem Kleidungsstil passen und für die man nicht allzuviel tun muß.«

 

Christian Lander hat zunächst in seinem überaus erfolgreichen Blog (stuffwhitepeoplelike.com), dann in einem gleichnamigen Buch mit dem Untertitel »A Definite Guide to the Unique Taste of Millions« (Random House) Dutzende und Aberdutzende alltägliche Beobachtungen zusammengetragen, die alle nach dem gleichen Prinzip funktionieren: Man fühlt sich als Leser ertappt, kann aber über sich lachen oder hat zumindest Freunde, auf deren Lebensstil Landers Beobachtungen passen, und kann über die lachen, über diesen Umweg also wieder über sich selbst. Dabei ist »white people« selbstredend eine unzulässige Verallgemeinerung, genaugenommen sind die Adressaten von Landers Bosheiten sog. Bobos (bourgeois bohemians), die »Reichtum und Rebellion, beruflichen Erfolg und eine nonkonformistische Haltung, das Denken der Hippies und den unternehmerischen Geist der Yuppies« zusammenführen« (David Brooks, »Bobos in Paradise«) – die typischen Prenzlauer-Berg-Affen eben.

 

»Weiße Menschen lieben die Filme von Wes Anderson mehr als ihre eigenen Kinder. Wenn ein weißer Typ ein weißes Mädchen zum ersten Date mit in einen Wes Anderson-Film nimmt, den beide noch nicht gesehen haben, werden sie auf der Stelle eine Beziehung eingehen, wie man sie aus den Songs von Ryan Adams und Bright Eyes kennt. Wes Anderson-Filme sind auf eine Art halblustig und clever, daß Weiße im Publikum sich schier totlachen. Selbst wenn sie den Witz gar nicht verstanden haben, die anderen aber lachen, werden sie mitlachen. Wenn auch nur ein Typ mit Brille lacht, werden sich innerhalb von 15 Sekunden alle im Kino vor Lachen wegschmeißen. Hat man mit einem Weißen zu tun und es entsteht eine unangenehme Gesprächspause, muß man nur einen der nachstehenden Filme erwähnen, hat sofort Konversationsstoff und sich schon beliebt gemacht. Hier ein paar bewährte Kommentare:

 

  1. ›The Darjeeling Limited‹ (2007): ›It’s so great to see that he’s back, Owen Wilson is just fantastic.‹
  2. ›Hotel Chevalier‹ (2007): ›Can you believe Natalie Portman got kind of naked?‹
  3. ›The Life Aquatic with Steve Zissou‹ (2004): ›I know a lot of people said they didn’t like this film, but I thought it was fantastic.‹ (Note: it is acceptable to be critical of this movie).
  4. ›The Royal Tenenbaums‹ (2001): ›This movie changed my life.‹
  5. ›Rushmore‹ (1998): ›This is when Bill Murray really changed in my eyes, he’s so fantastic in the movie, and Jason Schwartzman is a true star.‹
  6. ›Bottle Rocket‹ (1996): ›I saw this movie in 1994‹

 

Das ist auch und gerade für weiße Menschen lustig, die gerne Kaffee trinken (Eintrag Nr. 1), Barack Obama gut finden (Eintrag Nr. 8), ihre Eltern hassen (Eintrag Nr. 17), keinen Fernseher haben (Eintrag Nr. 28), aber die »Daily Show« und »Arrested Development« gut finden (Eintrag Nr. 35, Eintrag Nr. 38), am liebsten am Wasser wohnen würden (Eintrag Nr. 51) und Noam Chomsky lesen (Eintrag Nr. 98). Denn in Wahrheit ist »Stuff White People Like« natürlich keineswegs kritisch, sondern eine Sammlung von Insider-Scherzen. Eins mögen weiße Menschen nämlich auch sehr gerne: Selbstironie (Eintrag Nr. 103).

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg