Humorkritik | Mai 2009

Mai 2009

Ein Platz für Kotze

In diesem jubiläensatten 2009er Jahr möchte ich hier einmal eines großen deutschen Komikers gedenken, der heuer, präzise am 24. April, hundert geworden wäre. Nein, nicht Heinz Erhardt, sondern Bernhard Grzimek.

 

Was manchen überraschen, ja befremden wird, ist doch der ostafrikanische Wildtiere filmende, uns erklärende und zu retten nicht rastende Frankfurter Zoodirektor zeitlebens allenfalls aufgrund unfreiwilligen Humors öffentlichkeitsrelevant geworden. Nicht nur dank Loriots hinlänglich bekannter Steinlaus-Parodie, sondern etwa auch durch eine erwartungsgemäß luzide Analyse Wilhelm Genazinos, der in seiner Essaysammlung »Der gedehnte Blick« (Hanser, 2004) beschreibt, wie in Grzimeks recht populärer Fernsehserie »Ein Platz für Tiere« einige derselben vor laufender Studiokamera beispielsweise »begannen, auf dem weißen Hemd des Zoodirektors herumzuklettern, sich ihm an die Krawatte zu hängen oder sich in seine Jackentasche zu setzen«. Haarsträubende Vorfälle: »Tiger reckten sich vor ihm und neben ihm auf und begannen, die Glatze zu lecken.« Grzimek, so Genazino, redete dieweil »zwar geniert und bedrängt, aber unentwegt weiter, wobei sein Gesicht immer wieder hinter Tigerkörpern fast völlig verschwand. Derlei Turbulenzen zwischen Mensch und Tier ereigneten sich in zahlreichen Sendungen des Zoodirektors. Dennoch ist Dr. Grzimek im Laufe seiner TV-Karriere keineswegs als Komiker bekannt geworden«, schließt Genazino, die »Bizarrerien der Sendung« bilanzierend, ganz richtig.

 

Soweit, so vertraut. Daß Grzimek jedoch nicht nur Gegenstand, sondern auch Initiator komischer Konstellationen war, enthüllte neulich, nämlich in einem Interview in der Zeit vom 23.12.2008, Markus Borner – als Grzimeks Nachfolger bei der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt zuständig für den Naturschutz in Ostafrika –, indem er einen gemeinsamen Besuch der beiden deutschen Tierfreunde bei Tansanias Präsident Julius Nyerere in Daressalam schilderte: »Grzimek hat in seiner Tasche einen Scherzartikel mitgebracht, eine Art Plastikkotze. Er machte ja gerne mal Witze, die nicht besonders lustig waren. Die Kotze hat er dann in einem feinen Saal auf den Boden gelegt. Was war mir das peinlich: Plastikkotze im Palast des Präsidenten! Aber einer der Beamten nahm mich zur Seite und sagte: Stell dich nicht so an! Dieser Mann hat so viele Verdienste. Der darf das. Nach dem Besuch bei Nyerere waren wir noch in vielen afrikanischen Ländern. Überall haben sich die Türen geöffnet.«

 

Das glaube und lese ich gern, und gern auch läse ich weitere derartige Schnurren aus dem Scherzschaffen des ganz zu Unrecht als didaktisch-dröge diffamierten Kotzbrockens: Grzimeks Witzwerk darf nicht sterben!

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella
09.05.2024 München, Volkstheater Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella