Humorkritik | Mai 2009

Mai 2009

Fernsehsatire für Fortgeschrittene

Prominente, die in einer Clipshow auf die letzten dreißig Jahre zurückblicken: Das klingt nicht nach einer besonders aufregenden Fernsehidee. Das ändert sich unmittelbar, wenn die Retroshow im Jahre 2031 spielt: Der nostalgische Blick auf die erste Autopsie-Show, eine Makeover-Show, in der sich Kinder Schönheitsoperationen unter­zogen, oder auf die Nachrichten von dem Tag, als Terroristen erstmals auf die Idee kamen, Flugzeuge mit Hochhäusern anzugreifen, hat komisches Potential.

 

Dieses Potential hat der italienischstämmige Schotte Armando Iannucci für seine sechsteilige Satire »Time Trumpet« (ab 27.4. auf DVD per Import erhältlich) weidlich ausgenutzt. Iannucci, der seit seinen Anfängen bei »The Day Today« und »I’m Alan Partridge« ein Händchen für Parodien bewiesen hat, zieht hier alle Register seines phantasievoll-abseitigen, meist aber eher leisen Humors: Brillant von CGI-Animationen unterstützt, breitet er seine höchst eigene Vision vom Fernsehen der Zukunft aus. Dieses wird ab 2010 mit »Rape an Ape« Quotenerfolge feiern, einer Spielshow, in der die Kandidaten versuchen müssen, einen Gorilla zu bespringen: »Am Anfang wurde mir richtiggehend schlecht davon«, erinnert sich zu entsprechenden Ausschnitten da ein gealterter David Beckham, »abgesehen von den paar kurzen Momenten, die wahnsinnig komisch waren. Heute ist es natürlich ein Klassiker!« – »Ich hab es nie gemocht, aber ich hatte auch nichts dagegen, solange der Affe nicht verletzt wurde … oder wenn er verletzt wurde, zumindest hinterher medizinische Betreuung erhielt!« – »Man wußte genau, wie spät es war, wenn die Titelmelodie lief: Hey, ›Rape an Ape‹ kommt, so spät schon! Man fühlte sich geborgen, wenn die Titelmusik lief. Das war die kuscheligste vergewaltigungsbasierte Titelmelodie aller Zeiten.«

 

»Time Trumpet« ist nicht auf schnelle Lacher aus; die meisten Szenen hinterlassen beim Zuschauer ein beinah unbehagliches Gefühl – wären viele Ideen (wie der Überfall der Supermarktkette Tesco auf Dänemark 2012) nicht eine Spur zu grotesk, um als kritisch-aufklärerische Satire durchzugehen. Oft ist es Iannuccis melancholische Off-Stimme, die am längsten in Erinnerung bleibt, sein sinnierender Tonfall, der einen im unklaren läßt, wieviel Kritik am Zeitgeist da beabsichtigt ist und wo der reine Nonsens beginnt. Wie ein LSD-Trip oszilliert »Time Trumpet« – die halluzinationsartigen Computeranimationen unterstützen diesen Vergleich – zwischen blühendem Quatsch und tiefer Philosophie, ist dabei aber immer unterhaltsam: Comedy auf Intellektuellen-Niveau. Wer zu sparsam ist, um für nur eine DVD hohe Versandkosten zu bezahlen, möge zusätzlich Iannuccis ebenfalls grenzgeniale »Armando Iannucci Shows« ordern – und staunen, in welche Phantasiewelten einen die Observational Comedy-Mäander Iannuccis tragen können.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
01.12.2023 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer
01.12.2023 Karben, Kulturscheune im Selzerbrunnenhof Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
02.12.2023 Itzehoe, Lauschbar Hauck & Bauer
03.12.2023 Kassel, Studiobühne im Staatstheater Kassel Ella Carina Werner