Humorkritik | Mai 2009
Mai 2009

Forevers
Wer bei Google »Horst Evers« eingibt, wird mit einer Auflistung von Einträgen belohnt, die bis in die Hunderttausende gehen kann. Das könnte den Eindruck erwecken, der Kabarettist spiele in der Liga von Paris Hilton und Konsorten, liegt aber natürlich daran, daß der Name Evers mit englischen Worten wie »ever« oder »forever« viele Buchstaben gemein hat. Auf jeden Fall hat Herr Winter aus Evershorst sein Pseudonym geschickt gewählt, und hierzulande ist er ja auch schon ansatzweise weltberühmt. Bücher (»Mein Leben als Suchmaschine«, Eichborn) landen auf Bestsellerlisten, CDs (»Schwitzen ist, wenn Muskeln weinen«, WortArt) laufen gut, und mit Preisen (für Kleinkunst, 2008) hält man sich auch nicht zurück. An seinem Wohnort Berlin gilt er als Lokalheld, der Sender RadioEins pflegt ihn als akustisches Maskottchen und bringt mehrmals pro Woche Beiträge von ihm. Zudem bewahrt er zu anderen Lieblingen des Massengeschmacks (wie dem bibelnden Ben Becker oder dem Komma-Komiker von Spiegel online) eine gesunde Distanz.
Evers gehört zu den letzten der Herr-Lehmann-Generation, zu denen, die nach West-Berlin gingen, weil sie nicht zum Bund, sondern irgendwas mit Kunst machen wollten. Seine Werke sind, egal in welchem Medium sie erscheinen, in erster Linie Vortragstexte. Die Marotte, Texte mit subjektlosen Sätzen zu beginnen (»Dienstagmittag. Stehe an der Bushaltestelle und friere« oder: »Freitagmorgen. Renne durch die Wohnung und suche meine Mütze«), dürfte schon in frühen Lesebühnen-Tagen entstanden sein.
Seine frühen Texte verhandelten noch überwiegend Dinge, die dem Lumpenproleten in seinem verschlafenen Kiez auf dem Weg von oder zur Kneipe passierten; nun häufen sich Themen, die auch reguläre Kolumnisten traktieren: Die Tochter will wissen, was das Wort »ficken« bedeutet, man muß zum Zahnarzt, der Videorekorder streikt etc. Meist fängt alles ganz harmlos an (»Ich hab mich mal wieder hingesetzt und ein gutes Buch gelesen. Es war die Gebrauchsanleitung meines Videorekorders«), dann schnörkelt sich Evers zur Schlußpointe. Nachdem er festgestellt hat, daß sich seine Haushaltsgeräte vermutlich unterfordert fühlen, weil er ihr Potential nur zu einem Bruchteil nutzt, beschließt er, »einfach mal eines dieser abstrusen Waschprogramme laufen zu lassen. Hoffentlich wird der Eierkocher nicht neidisch.«
Das ist manchmal komisch, oft auch sehr bieder. Diese Ausweitung der Themenzone dürfte eine Erklärung für den wachsenden Erfolg sein – der jedoch spätestens dann endet, wenn die Text mal so sterbensöde daherstiefeln wie Jan Weilers Kolumnen im Stern. Ein immer weitergehendes Anbiedern möchte ich also weder Evers wünschen noch mir.