Humorkritik | Mai 2009

Mai 2009

Turkmenbashi der Große

Ein Buch allmächtigen und mächtig komischen Schlages dürfte die sog. »Ruhnama« sein, nur mit dem Unterschied, daß diese lustigerweise nicht von Satirikern, sondern von einem leibhaftigen Staatspräsidenten verfaßt wurde. Der Autor Saparmyrat Nýazow, der sich »Turkmenbashi«, also »Führer der Turkmenen«, nannte, hat sich persönlich bei Gott dafür eingesetzt, daß jeder, der die Ruhnama mindestens dreimal gelesen hat, automatisch ins Paradies eingeht, und so trifft es sich gut, daß dieses Erlösungswerk bis heute im Zentrum der turkmenischen Lehrpläne steht. Auch ich kann dem Jenseits inzwischen gelassen entgegensehen, denn in Nýazow Hauptwerk und Vermächtnis, das über eine offizielle turkmenische Regierungsseite auch in deutscher Übersetzung abrufbar ist, schmökere ich öfter mal – selbstredend nur am Samstag, dem »Tag des Geistes«, der laut turkmenischer Gesellschaftsordnung der Lektüre der Ruhnama vorbehalten ist.

 

»Der Turkmene kann den Turkmenen Größe bringen, denn er ist Turkmene!« argumentiert Nýazow, und für den, dem das etwas zu schnell geht, führt er aus: »Der Turkmene ist erhaben, weil er einem Volk angehört, das Werte schafft. Die auffälligsten dieser materiellen Werte sind das turkmenische Pferd, der Teppich, Musikinstrumente wie die Dutar, der Schmuck, die Alabay-Hunderasse, das Gelbschaf und der weiße Weizen. Beweise dafür, daß diese Werte den Turkmenen zugerechnet werden müssen, sind nicht notwendig. Dies ist sowieso offensichtlich.«

 

Da das nun geklärt wäre, wendet sich der Verfasser wasserbaulichen Fragen zu (»Brunnenwasser wird süß wie Zuckerwasser und vermehrt sich, wenn es benutzt wird, wenn es dagegen ungenutzt bleibt, wird es weniger und ungenießbar«), er gibt Ratschläge zur Lebensführung, die ebensogut von Arnold Hau stammen könnten (»Eßt, trinkt, aber übertreibt nicht«), und ab und zu driftet er in leicht verstiegene philosophische Betrachtungen ab (»Der Mensch ist ein Apparat, den Allah schuf, um die Zeit zu fühlen«). Und weil immer noch Platz ist im Buch, kommt schließlich auch das selige Mütterchen ins Spiel: »Ich bewahre Dutzende, Tausende Lächeln meiner Mutter immer in meinem Gedächtnis. Was für eine schöne Sache!«

 

Zuletzt aber spricht Nýazow endlich Tacheles: »Der Turkmenische Staat besitzt grenzenlosen Reichtum. Ich könnte diesen Reichtum an das Volk verteilen und alle reich machen. Aber ist unser Volk nach siebzig Jahren Armut für solch einen Reichtum bereit? Für das Reichsein muß man viel Kraft und Willen besitzen.« Nýazow besaß beides. Er soll nach seinem plötzlichen Tod 2006 mehrere Milliarden Dollar auf Konten der Deutschen Bank hinterlassen haben. Die Turkmenen erbten von ihm ein ruiniertes Rentensystem, eine ebensolche Gesundheitsversorgung – und die Ruhnama. Um es mit Gerhard Polt auszudrücken: »Sie, das sind Bücher, da kann ich nur sagen: Schaun S’ amal nei!«

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg