Humorkritik | Februar 2009

Februar 2009

Stein, Schere, Velociraptor

Eine Sitcom über das alltäglich-chaotische Leben einer Londoner Mittelklassefamilie mit drei Kindern mag für die Zielgruppe der 14- bis 25jährigen nicht die Neuerfindung des Comedy-Rads sein – für mich war die zweite Staffel von »Outnumbered« (BBC 1), die im Januar zu Ende ging, die beste Britcom des vergangenen Jahres. Das mag zum einen daran liegen, daß »Outnumbered« formal auf der Höhe der Zeit ist und sich den quasidokumentarischen Wackelkamerastil von »Curb Your Enthusiasm« ebenso angeeignet hat wie das improvisierte Spiel; zum anderen aber an einem wunderbaren Cast, denn die drei Kinder der Familie Brockman sind hervorragend besetzt: allen voran Ramona Marquez als fünfjährige (!) und permanent Fragen stellende Karen, die schon mal wütende Briefe an den Premierminister schreibt und, als sie Kopfläuse aus der Schule nach Hause bringt, am liebsten eine davon als Haustier behalten würde. Nicht weniger brillant auch Daniel Roche als Ben (7), dessen permanente Lügen seine Eltern regelmäßig in Verlegenheit bringen (»Das ist nicht mein Vater! Der hat mich entführt!«) und der gerne »Stein, Schere, Velociraptor« spielt, sowie Tyger Drew-Honey als Jake (11), in der Schule gehänselt und von Ängsten geplagt.


Den dreien, die ihren Eltern nicht nur an Zahl überlegen sind (worauf der Titel anspielt), gelingt etwas Paradoxes: Sie bestätigen sowohl Kinderlose, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, als auch Eltern in ihrer Ansicht, ein Leben ohne Nachwuchs müsse eine traurige Angelegenheit sein. So oder so aber leidet man mit Pete und Sue (ebenfalls prima: Hugh Dennis und Claire Skinner), die bemüht sind, ihre Erziehung so aufgeklärt wie möglich zu gestalten, dabei aber regelmäßig auf schwere Proben gestellt werden – und am Ende Ben beinahe seinen Willen lassen, mit der Bohrmaschine in der Hand zur Schule zu gehen.


»Outnumbered« bleibt immer realistisch, was die Identifikation leicht macht, und so haben zumindest mich die großen Probleme (mit dem zusehends dementen Großvater) und kleinen Unfälle (»Ich wirble meinen Sohn oft an den Beinen im Kreis herum, und entweder hatte diesmal jemand den Tisch verrückt oder er ist gewachsen!«) gleich gefangengenommen – und zum Schluß sogar für die Idee Karens begeistert, zukünftig Geld zu sparen, indem man einfach keinen Brokkoli mehr kauft. Und dafür aber die DVD der ersten Staffel.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt