Humorkritik | Februar 2009

Februar 2009

Nazis aus Österreich

Man sollte meinen, Anstoß zu erregen, ja überhaupt irgendwo Tabus aufzutreiben werde für Satiriker immer mühsamer. Glückliches Österreich! Dort nämlich bringt man’s, wie das Kabarettistenduo Stermann & Grissemann zeigte, mit ein paar eher harmlosen Scherzen über den dahingeschiedenen Jörg Haider zu Morddrohungen, einem abgesagten Auftritt im Haiderland Kärnten und einer eigens veranstalteten TV-Debatte über das Wesen von Satire.


Die eben erschienene Grisse-/Stermann-DVD »Wollt ihr das totale Sieb!?« (Universal) hat mit Haider nur insofern zu tun, als  auch sie mit verballhornten Nazisprüchen Erfolg hat. Ihr Titel bezieht sich auf einen der Clips, in der zwei Altnazis in Pullunder und Trachtenjoppe eine Kochsendung moderieren: »Die Augen rechts, die Augen links – und RÜHREN!« – »Jawoll, mein Rührer!« – »Ich rommel die Nuß bis zum Endsieb!«. Zweite Nazimoderation: ein Telefonquiz, bei dem es gilt, aus den »wild durcheinandergewirbelten« Buchstaben I und E das »Produkt der deutschen Henne« herauszulesen. »Das kann doch nicht so schwer sein! Wie vertrrrottelt ist das deutsche Volk?« schreit Grissemann (der übrigens der viel lustigere Nazi und bessere Schauspieler der beiden ist).


Der Einfall, verschiedene Sendeformate von Nazis bestreiten zu lassen, ist  originell, aber bisweilen gerät der Einsatz der beiden Figuren allzu beliebig. Sie heißen einen alten Kameraden am Flughafen Wien willkommen, spazieren mit einem unwilligen Knaben durch den Zoo (»Ja bist du rrruhig, du böser Pimpf – der Elefant ist doch kein deutsches Tier!«) oder bewerben sich im Stechschritt für die ORF-Tanzshow »Dancing Stars«. Da verläßt man sich schon ziemlich auf die Hoffnung, Nazis seien per se lustig, egal in welchem Kontext.


Viele der kurzen Clips bleiben durch ihren expliziten Österreichbezug hierzuland eher enigmatisch, dem Nichtösterreicher bleiben immerhin die vier völkerverbindenden Clips der Premiere-Serie »Im Anschluß: Neues aus Waldheim«, in welcher Grissemann einen Tiroler Bergbürgermeister und Stermann den deutschen Praktikanten spielt. Hingegen dürfen Grundkenntnisse des FPÖ- und BZÖ-Personals inzwischen auch beim reichsdeutschen Publikum vorausgesetzt werden. Wenn im Nazi-Kochstudio »Strachebeeren« verarbeitet werden, kapiert das wohl auch der Mecklenburg-Vorpommeraner.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

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 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg