Humorkritik | April 2008

April 2008

Routinierter Allen

Woody Allens neue Satirensammlung »Pure Anarchie«, die erste seit 1980, ist von vielen Kritikern mit Komplimenten überschüttet worden – »einzigartig« seien diese Storys, »phantastisch«, »hinreißend«, »grandios«. Für die Pressestelle des geschätzten Lizenzverlags Kein&Aber sind solche werbewirk­samen Prädikate naturgemäß erfreulicher als für Leser wie mich, die auch von begeisterten Rezensenten etwas mehr erwarten als Jubelgeschrei.

 

Inzwischen habe ich mich davon überzeugt, daß die Geschichten sehr unterhaltsam sind, pointenreich und solide gebaut, aber keineswegs einzigartig: An seiner satirischen Methode der grotesken Übertreibung sonderbarer Sitten und Gebräuche hat Woody Allen in den letzten dreißig Jahren ebensowenig geändert wie an seinem gefälligen Stil und der situationskomikträchtigen Opfer­rolle der meisten seiner Helden. Sie ringen mit der Tücke des Objekts, mit sich selbst, mit dem Schicksal, mit Gott oder bisweilen auch mit rabiaten Kindermädchen: »Offensichtlich keine Einmischung gewohnt, hievte sie mich aus den Mokassins und pinnte mich knapp ­einen Meter über dem Fußboden an die ­Tapete. ›Stecken Sie Ihre Schnauze nicht in meine Reisschale‹, empfahl sie, ›außer Sie wollen sich gern als Seemannsknoten wiederfinden.‹« Wie es hier weitergeht, kann man sich zwar schon ungefähr denken, aber es ist doch schön zu sehen, wie elegant der ­Erzähler den Knoten schürzt: »Empört wies ich ihr noch am gleichen Abend die Tür, ­wobei mir lediglich ein kleines mobiles ­Einsatzkommando den Rücken freihielt.«

 

Das ist ganz amüsant, aber nicht gerade phantastisch, hinreißend und grandios. Woody Allen zeigt sich noch einmal auf der bereits vor drei Jahrzehnten erreichten Höhe seines Könnens, und es fehlt auch nicht an scherzhaften Bemerkungen über den Kosmos, wie man sie von einem Routinier der ironischen Seinsphilosophie gewohnt ist: »Ich kann nur jedem raten, sich von Schwarzen Löchern fernzuhalten, wenn man nämlich erst mal drinsteckt, ist es ungemein schwer, mit intaktem musikalischem Gehör wieder herauszusteigen.« Wer keine größeren Genie­streiche erwartet, der darf sich hier gut und solide bedient fühlen.

 

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg