Humorkritik | April 2008
April 2008
Kompromißloser Joe Matt
Joe Matts »Peepshow« (Edition 52) ist inhaltlich wie stilistisch eine gelungene Adaption von Robert Crumbs episodischer Comic-Autobiographie »Dirty Laundry«. Matt stilisiert sich hier, wie sein Vorbild, als neurotischer, notgeiler, zwischen Omnipotenzwahn und Minderwertigkeitskomplexen schwankender Künstler-Kotzbrocken, der, von stetem Porno-Video-Konsum angestachelt und libidinösen Tagträumen gebeutelt, den Frauen hinterherhechelt und, wenn er sie dann wirklich mal herumkriegt, unter Potenzproblemen leidet. Sein klarer, souverän gesetzter, fast klassischer Cartoon-Strich liefert das komfortable Fundament, auf dem unangestrengter narrativer Witz, Sarkasmus und ein gutes Pfund Selbstironie es sich bequem machen können.
Trish trennt sich von Joe, der ihr das Leben durch seine Apathie, Egozentrik und soziale Inkompetenz jahrelang zur Hölle gemacht hat. Er versucht es bei anderen Frauen, aber so recht will es nicht klappen; nicht zuletzt, weil er seine Ansprüche zu hoch schraubt. Joe Matt ist ein Idealist durch und durch, der sich seine rosarote Traumwelt nicht von so etwas Schnödem wie der Realität kaputtmachen lassen will, und der für sein Seelenheil folglich auf Naturfilmchen der Marke »Kimono Kunts« dringend angewiesen ist; der sich aber auch in seiner Kunst auf keine Kompromisse einläßt. Lieber hungert er oder schmarotzt sich bei seinen Zeichnerfreunden Seth und Chester Thompson durch. Die Kompromißlosigkeit, mit der er sich selbst als Charakterschwein der schlimmsten Sorte denunziert und sein Privatleben ausleuchtet bis in die letzte dunkle Ecke, seine infantilen Wutausbrüche, seine Verzagtheit, seine Masturbationsmanie, erfordert durchaus Mut. Denn auch die Folgen seines harten Biographismus stellt er dar: Ständig sind Freunde und Bekannte vergrätzt oder wenden sich gar von ihm ab, weil sie sich in seinem Comic unvorteilhaft dargestellt fühlen. In Deutschland wäre so etwas vermutlich längst verboten.