Humorkritik | August 2007

August 2007

PeterLicht

Der Musiker und Autor PeterLicht hat den diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Preis nicht gewonnen; jedenfalls nicht ganz, nicht den Hauptpreis. Er erreichte mit seinem Text »Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends« den dritten Platz, bekam noch den Publikumspreis obendrauf und durfte so mit immerhin 12 500 Euro nach Hause gehen. Jedoch war sein Text, der auch unter www.bachmannpreis.orf.at nachgelesen werden kann, der bei weitem beste und zugleich komischste. Er hat die Bachmannpreis-Jury sowohl amüsiert als auch überfordert, denn ihr Auftrag ist ja durch die Dezennien der, die nicht so guten und weniger unterhaltsamen Texte zu prämieren, die angestrengt raunenden, so richtig ratternde Literaturliteratur. Deswegen bekam heuer der gleichfalls überzeugend originelle und streckenweise sehr komische Text von Jochen Schmidt aus Berlin gleich gar keinen Preis.

 

PeterLicht (»Sonnendeck«) kann man seit einigen Jahren vor allem hören. Seine schön runden Minimal-Pop-CDs »Vierzehn Lieder« und »Lieder vom Ende des Kapitalismus« möchte ich nicht nur wegen gelungener Liedtitel wie »Ich hatte einen Parkplatz am Fuße der N’Gong-Berge« oder »Wettentspannen« uneingeschränkt zum Kauf empfehlen, sondern auch wegen so schöner Zeilen wie »Meide die Popkultur« oder »Meine transsylvanische Verwandte ist da«. Da musiziert und singt einer äußerst entspannt irgendwo zwischen Andreas Dorau und Daniil Charms – und wer das aber immer noch nicht hören möchte, der sollte sich wenigstens Lichts äußerst schönes »Wir werden siegen – Buch vom Ende des Kapitalismus« zulegen (Blumenbar Verlag), dort lassen sich fast alle Liedtexte nachlesen. Darüber hinaus bietet es einen stilsicheren Mix aus Sentenzen, Aphorismen (»Wenn die Leute in den Kirchen so laut singen: katholischer Mundgeruch«), Listen, Gedichten und Kalauern (»Am nächsten Sonntag ist Europawahl. Ich werde England wählen«), garniert und durchwebt mit zarten Zeichnungen des Autors – und nicht zuletzt einen Überblick über die wichtigsten Nationalitäten; hier die uns vertrauteste:

 

»Die Deutschen gibt es in Hülle und Fülle. Ihre Schamhaare liegen fluffig und etwas aufgebauscht unten drin in ihren Unterhosen. Sie haben keine Angst vor Tastaturen, wohl aber vor Kippschaltern. Ihre Zäune sind nicht so grobschlächtig wie die der Amerikaner, allerdings bieten sie (die Zäune) auch nicht wirklich Anlaß zur Freude, weil es ziemlich lange braucht, bis sie ordnungsgemäß aufgestellt sind. Dann aber stehen sie lange. Wenn die Deutschen Innenräume mit Wandpaneelen versehen bzw. Decken abhängen, benutzen sie außergewöhnlich viele Spaxschrauben. Oft, wenn Deutsche sterben, bleiben ihre Gartenschuhe auf den Treppenabsätzen zum Keller runter noch eine Weile stehen.«

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ex-VIVA-Moderator Mola Adebisi!

Im »Dschungelcamp« gaben Sie Ihre Meinung zum Thema Geschlechterrollen zum Besten: »Ich möchte nicht das tun, was eine Frau tut, das kann ich auch nicht. Und eine Frau soll auch nicht das tun, was ein Mann tut. Das geht auch nicht.« Männer sollten beispielsweise nicht als Hebammen arbeiten, denn eine Frau würde ein Kind anders lieben als ein Mann.

Und das wird von einer Hebamme ja schließlich gefordert, dass sie Kinder nicht einfach fachgerecht zur Welt bringt, sondern sie auch liebt.

Aber wenn Ihnen so viel daran liegt, die Tätigkeitsbereiche von Männern und Frauen zu trennen, warum haben Sie sich dann ein Metier gesucht, in dem sie gleichermaßen vertreten sind, Adebisi? Nämlich hauptberuflich im Dschungelcamp rumzusitzen?

Fragt sich, auch wenn sie das nicht tun soll: Titanic

 Tatütata, LKA Niedersachsen!

»Ganz viel Erfolg morgen bei der Prüfung, liebe Karin«, sagt angeblich das gesuchte ehemalige RAF-Mitglied Burkhard Garweg gut gelaunt in einem Video, das bei der Fahndung im Presseportal unter der Rubrik »Blaulicht« veröffentlicht wurde. Die Fahnder/innen erhofften sich dadurch, so heißt es, neue Hinweise, und richten sich deshalb mit den Fragen an die Bevölkerung: »Wer ist ›Karin‹ bzw. ›Carin‹?« und: »In welchem Zusammenhang steht sie zu Burkhard Garweg?«. Schön und gut, da möchten wir nach einem derartigen Cliffhanger nun aber auch die Frage hinzufügen: Wie ist Karins Prüfung denn nun eigentlich gelaufen?

Hinweise an Titanic

 Adieu, Hvaldimir!

Adieu, Hvaldimir!

Als Belugawal hast Du Dich jahrelang vor der norwegischen Küste herumgetrieben und Dich mit Kameraausrüstung am Leib angeblich als russischer Spion betätigt, was Dir viel mediale Aufmerksamkeit und Deinen Decknamen, Hvaldimir, beschert hat. Jetzt bist Du leider tot in der Risavika-Bucht gefunden worden, und da fragen wir uns, Hvaldimir: Hast Du nicht rechtzeitig die Flossen hochbekommen, oder warst Du einfach nicht geübt in der Kunst des Untertauchens?

Mit einem Gläschen Blubberwasser gedenkt Deiner heute: Titanic

 Philipp Bovermann (»SZ«)!

Früher hatten Sie Angst vor der Klimakatastrophe. Heute sind Sie Mitte dreißig und haben dazugelernt: »Ich kann heute nur noch darüber staunen, wie wenig tief mich die Tatsache bekümmert, dass der Planet überhitzt, dass Arten verschwinden, Ökosysteme kollabieren, Regenwälder brennen, Meeresböden sich in Wüsten verwandeln. Menschen werden sterben, Menschen sterben schon heute, das Leid der Tiere sprengt alle Vorstellungskraft – aber jetzt stehe ich auf meinem Balkon, habe mir ein Leben aufgebaut, mit einem tollen Job, einer tollen Frau, einer tollen Tochter, unten auf dem Teich schwimmt eine Entenfamilie vorbei, und geblieben ist nur die sanfte Sorge, dass ich mir zu wenig Sorgen mache. Ich grusele mich vor mir selbst. Aber nur ein winziges bisschen.« Denn »vielleicht ist es rational, wegen des Klimawandels ruhig zu bleiben und sich auf das Leid im Hier und Jetzt zu konzentrieren. Die Welt wird schon nicht gleich untergehen.«

Nein, Kollege Bovermann, wird sie nicht, jedenfalls Ihre nicht. An den Menschen in Südostasien oder Osteuropa, betroffen von einem exemplarischen Regen aus der neuen Klimagegenwart, schwimmen derweil keine Entenfamilien, sondern ihre toten Töchter vorbei, während Sie sich so arg auf das Leid im Hier und Jetzt konzentrieren, dass es alle Vorstellungskraft sprengt.

Vorm ewigen Jungspießer gruselt’s da ein bisschen: Titanic

 Bitte schön, Annika Stechemesser!

Sie sind Klimaforscherin in Potsdam, wurden in der Frankfurter Rundschau am Tag nach den brisanten Landtagswahlen zum Thema »effektiver Klimaschutz« interviewt, und da wir heute auf keinen Fall Witze mit Namen machen wollen, lassen wir das einfach mal so stechen, äh, stehen!

Ganz lieb grüßt Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Unterzucker

Wenn man sich bei seinem Lieblingsitaliener keine Pizza bestellen kann, weil man nicht alle Vespas auf den Fotos gefunden hat – liegt das dann am nicht bestandenen Turin-Test?

Lara Wagner

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

 Mitläuferin? Ganz im Gegenteil!

Meine Oma fuhr im Widerstand Motorrad.

Andreas Maria Lugauer

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
Titanic unterwegs
05.10.2024 Kassel, TiF Max Goldt
05.10.2024 Berlin, Künstlerhof / Buchhändlerkeller Alt Lietzow Christian Y. Schmidt
06.10.2024 Berlin, Schloßparktheater Max Goldt
06.10.2024 Hannover, Pavillon Hauck & Bauer