Humorkritik | August 2007

August 2007

Endlich »Shadoks«

Mein halbes Leben wohl habe ich darauf gewartet: Nun ist die erste Staffel der legendären französischen Zeichentrick-Epopöe endlich auch als deutschsprachige DVD erhältlich. Daß sie nach jahrzehntelanger Versenkung schließlich aus den Tiefen des NDR-Archivs, wo sie 1969 synchronisiert wurden, auftauchten, ist nicht zuletzt diesem Magazin zu verdanken. Hart geißelte hier mein Kollege Christian Meurer schon im Oktober 1994 diese Zustände – trotzdem hielten weiterhin nur ein paar Dutzend aus dem Senderumfeld hinausgedrungene Raubkopien eine kleine Gedenk-Gemeinde am Leben, die jahrelang um diese Wiederveröffentlichung gekämpft hat.

 

Derart verschleppte Wiedersehen können sehr enttäuschen; bei den nun bald 40 Jahre alten, gewollt ziellos zwischen Fabel und Parabel herumirrenden Shadok-Fährnissen scheint mir die Gefahr jedoch gering: Die spielen sich nämlich nicht nur in einer imaginären, pseudo-urzeitlichen Sphäre ab, auch der vordergründige Plot ist derart mager, daß sich kaum was zum Veralten oder Verblassen ergibt. Die Shadoks, stupid-rachitische Vogelwesen, wollen ihren sich permanent deformierenden Planeten verlassen und auf die Erde überwechseln – dasselbe beabsichtigen auch die Gibis, gewitzte, kleine Hüte tragende Krabbeltierchen, die ein launisches Geschick auf ein gefährlich wippendes Brett-Gestirn verschlagen hat.

 

Ihr ungleicher Wettlauf liefert dem Shadok-Erfinder Jacques Rouxel denn auch nur Vorwände, den Betrachter durch einen labyrinthischen Mix aus Soph-, Kasu- und Rabulistik zu schleifen. Alles Geschehen ereignet sich dabei quasi indirekt, als sozusagen bewegte Illustration eines entfernt lehrhaften Kollegs, den ein Kommentator aus dem Off dazu hält (und von dem auch niemand weiß, wie er zu dieser Position gekommen ist). Hingehauen sind die krakeligen Kreaturen – bar aller cartoonistischen Eleganz – wie dilettantische Miró- und Paul-Klee-Fälschungen. Insgesamt diente dies Nonsens-Konstrukt nur einem Zweck: nämlich als Kulisse für den wunderbar elegant daherschwadronierenden Kommentator, der im Tonfall interesselosesten Wohlgefallens die aktuelle und stets verquere shadokische Bewußtseinslage wiedergab.

 

Die nur minutenlangen Episoden elektrisierten bei der Erstausstrahlung 1968 (zeitgleich mit den Mai-Ereignissen) ganz Frankreich, und Sprecher Claude Pieplus Präsentation wurde rasch populär: als neu­artig ironisierende, auf alle ­Alltagssituationen übertragbare Attitüde.

 

Die Original-Shadoks kann man schon seit längerem bei Youtube anschauen. Nun aber dürfen wir bewundern, wie der deutsche Sprecher Manfred Steffen Pieplu an stilsicherer Distinguiertheit noch weit übertraf: Wenn er etwa, freundlich-distanziert, diesen Gegensatz von sozialem Schema und shadokischer Umsetzung aus dem Bereich Personentransport referierte: »Der öffentliche Verkehrsverbund bei den Shadoks hatte einzig und allein für alle nur einen Autobus. Aus humanitären Gründen. Um den Shadoks unnötige Prellungen zu ersparen, wurde die Zahl der Plätze begrenzt: Es gab einen Stehplatz und einen Sitzplatz. Da es keine Sitze gab, war es zwangsläufig derselbe. Abgesehen davon war dieser Platz für den Direktor für das Transportwesen und die Massenkommunikation reserviert. Er stand ihm auch zu, denn er hatte den Job als Fahrer übernommen.«

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner