Ernst-Lubitsch-Preis, Bogey, Publikumspreis in Madrid, Deutscher Filmpreis in den Kategorien Bester Spielfilm, Regie, Kostümbild, Drehbuch, Filmmusik und Beste männliche Hauptrolle: mächtig abgeräumt hat die zu Jahresanfang gestartete Komödie »Alles auf Zucker«. Und so skeptisch ich meist auf derlei Prämien- und Lobeshäufungen reagiere, neulich hab’ ich mich diesem Kammer-Lustspiel gestellt und mich gleich auf mehrerlei Weise amüsiert. Zum Beispiel darüber, wie bilderbuchhübsch meine Vorahnungen bestätigt wurden. Denn soviel war klar: Wo WDR, Bayerischer Rundfunk und Arte mitschnippelten, mußte ein matschiger Themensalat entstehen, der dann noch mit der unleckeren deutsch-deutschen Debatten-Dauerwurst garniert wurde.
Wenn ein Radfahrer nächtens einen Autofahrer beschimpft, der ihm die Vorfahrt genommen hat, und dieser zurückschimpft, weil der Radler unbeleuchtet unterwegs ist – dann liegt exakt das Schema jener Ossi-Wessi-Streitgespräche vor, die wir seit sechzehn Jahren inner- wie außerhalb deutscher Spielfilme ertragen müssen. Mittlerweile scheint mir, daß das West-Ost-Gefälle gar nicht genügend Abschüssigkeit aufwies, um wirklich komische Knalleffekte zu erzeugen; die öden diesbezüglichen Diskurse in »Alles auf Zucker« jedenfalls legen die Vermutung nahe. Glücklicherweise fungieren sie als bloße Bei- und Dreingabe; fürs dramatische Hauptfeuerwerk zeichnet ein Funkengenerator verantwortlich, zwischen dessen zwei Polen tatsächlich Hochspannung besteht: eine jüdisch-orthodoxe Familie einer-, ein realexistierendes Ostberliner Ehepaar andererseits, die in Erwartung einer gemeinsamen Erbschaft für ein paar Tage zusammenziehen und sich vertragen müssen.
Entscheidend fürs Funktionieren eines solchen Archetypen-Konzepts ist, daß beiden Seiten Chancengleichheit eingeräumt wird im Kampf um die Publikumssympathie, wobei gerade die dem Durchschnittszuschauer unbekannte Sphäre liebevoll präsentiert werden muß, um Interesse zu wecken: Hier leisten Udo Samel als Familienvater und Rolf Hoppe als Rabbi gute Arbeit, unterstützt von einem kundigen Drehbuch, das jüdische Tradition speziell mit dem Zug geübt-gewitzten Vorschriftenauslegens und Auswegefindens ins Bild setzt.
Weil Henry Hübchen als gründlich areligiöser Widerpart auf gleichem Niveau gegenhält, glückt das Ganze bravourös, soweit es um dieses Zentrum der Verwirrungen geht. So ziemlich alles drumherum nämlich gerät unansehnlich: die Verkörperung bzw. Nichtverkörperung von Hübchens Ehefrau durch eine aufs dilettantischste berlinernde Hannelore Elsner, die sich über den ganzen Film hinweg warmläuft, aber nicht eine Sekunde lang wirklich teilnimmt; der verklemmte Karriere-Banker; die doppelte Cousin-Cousine-Liebelei; die Ecstasypillen in der Aspirinpackung, die Nachtklub-Damen im Notarztkittelchen usw. usf. – alles Komödienlametta, das auf Übermotiviertheit und letztlich mangelndes Vertrauen ins eigene Konzept schließen läßt. Weshalb ich die XXL-Dosis Lorbeer, die Regisseur Dani Levi und seinem Film zuteil wurde, wieder mal nicht begrüßen kann, nebbich.
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