Inhalt der Printausgabe

Oktober 2005


Humorkritik
(Seite 2 von 8)

Pastewka ist nicht Larry David

Gleich zwei deutsche Sitcoms aus dem Hause Sat.1-Pro7 bedienen sich dieser Tage wieder einmal bei großen amerikanischen und britischen Vorbildern: »Pastewka« (Sat.1) bei »Curb Your Enthusiasm« (HBO), »Stromberg« (Pro7) in der zweiten Staffel bei »The Office« (BBC). Beide wurden vom deutschen Feuilleton mit Lobeshymnen bedacht – obwohl sie auf kaum weniger wackligen Beinen stehen als andere deutsche Comedyserien auch.
Grundlage einer guten Sitcom sind glaubwürdige Figuren. Eine Sitcom, die so tut, als dokumentiere ein Fernsehteam den Alltag in einem deutschen Büro, darf schon mal keinen gesichtsbekannten Schauspieler besetzen, weil damit der erste und grundlegende Trick verraten ist: Daß man eben keine Dokumentation des Lebens in einem deutschen Büro sieht, sondern eine Sitcom mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle.
Bastian Pastewka hat es da auf den ersten Blick leichter: Er spielt sich selbst, einen Comedian namens Bastian Pastewka, der den Fährnissen des Alltags auf mißgelaunte bis menschenfeindliche Weise begegnet. »Pastewka« soll dabei »noch nicht Comedy und nicht mehr Dokumentation« (Pastewka) sein – und das stimmt leider auch. Vor allem Comedy ist kaum auszumachen.
Denn sowenig Christoph Maria Herbst je Vorstand eines Versicherungsbüros war, sowenig ist Bastian Pastewka Larry David. Der war im richtigen Leben Coproduzent von »Seinfeld« und hat mit diesem seinem einzigen beruflichen Erfolg unanständig viel Geld verdient. In »Curb Your Enthusiasm« spielt er Larry David, der mit »Seinfeld« unanständig viel Geld verdient hat und nun über genügend Tagesfreizeit verfügt, um möglichst vielen Menschen auf die Nerven gehen zu können. Es macht Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie er aus nichtigen Anlässen mit reichen und/oder einflußreichen Menschen Streit vom Zaun bricht, sich in sophistischen Argumentationen verheddert, obwohl er oft im Grunde recht hat, und überhaupt ein Stinkstiefel erster Kategorie ist, der für seine Misanthropie regelmäßig bezahlen muß, es sich aber qua Bankkonto auch leisten kann. Er, ein reicher, jüdischer Fernsehproduzent in Hollywood, verfügt von Anfang an über eine natürliche Fallhöhe.
Eine solche Fallhöhe fehlt dem durch und durch bürgerlich dargestellten Pastewka völlig. Der klaut in der ersten Folge seiner Wohnungsnachbarin die Zeitung, woraufhin sie ihm die elektrischen Sicherungen rausdreht. Ganz schön gewagt. Was wird wohl als nächstes passieren?
Wo bei »Curb…« Erzählstränge von unterschiedlicher Peinlichkeit am Schluß in Katastrophen ersten Ranges kulminieren, gibt es bei »Pastewka« nicht zu Ende erzählte Gags, in kleinen Portionen einzeln abgepackt. Wo bei »Curb…« mehr oder weniger improvisiert wird, um einen authentisch dokumentarischen Look zu erzeugen, wird bei »Pastewka« streng nach handgeschnitztem Drehbuch vorgetragen. Kommen dann noch Plots à la »Nach einem Fahrradunfall ergeben sich chaotische Verwicklungen«, hölzerne Darsteller und die übliche komisch gemeinte Hysterie des »Fun Freitag« auf Sat.1 dazu (allein dieses Wort: »Fun Freitag«!), dann ergibt sich eine Sitcom von der Leichtigkeit eines verregneten Winternachmittags in Berlin-Marzahn. Der mir u.U. sogar noch lieber wäre als weitere Folgen »Pastewka«.

 

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick