Inhalt der Printausgabe
Mai 2005
Humorkritik (Seite 6 von 8) |
Lustiger Schiller? |
Kommt ein Betrunkener zum Schillerdenkmal in Dinkelsbühl. Schaut hinauf und schimpft: "Na, stehst wieder droben da, blöder Goethe, mit deiner Kleinen Nachtmusik, tatata taa!" Der Witz dabei, nach meiner Mutmaßung: Es gibt in Dinkelsbühl gar kein Schillerdenkmal. Paradox soll es sein, wie ich in einer Witzesammlung gelesen habe, wenn ein Goethedenkmal durch die Büsche schillert. Ob es stimmt? Umgekehrt freilich, dessen bin ich sicher, wird kein Schuh daraus. Der Kathederblütler Johann Georg August Galletti teilte möglicher-weise seinen Schülern mit, von Schiller hätten wir zwei Schädel, wovon einer wahrscheinlich unecht sei, da der Dichter überhaupt nur ein Alter von 46 Jahren erreicht habe. Ein anderer Lehrer sprach angeblich im Unterricht die Worte: "Sie wissen natürlich wieder nichts von den inneren Zusammenhängen der ›Jungfrau‹, weil Sie bei ihr geschlafen haben. Die Folgen werden sich zu Ostern zeigen." In einem Schüleraufsatz lesen wir: "Jetzt verbarg sich Wilhelm Tell rasch hinter einem Busch, drückte los, und das Werk der Befreiung war getan." Und so weiter. Dem Finanzamt in Peplau wiederum setzte man nachts das Schillerdenkmal vors Haus mit der Begründung, Schiller habe "Die Räuber" geschrieben, nun solle er sie auch bewachen. Und er selbst? "Schiller war krank und hatte keinen Humor." So trägt es Ewald Gerhard Seeliger im "Handbuch des Schwindels" vor. Ja ja, "für die anmutige Grazie des komischen Epos hatte Schiller wenig Sinn". So der verstaubte Julius Petersen. Und überhaupt meint, in seiner "Rede auf Schiller", Jakob Grimm: "Für Komödie zeigte er weder Neigung noch Beruf, er war vollkommen ein tragischer Dichter." Verbürgt ist, daß Schiller zumindest einmal herzhaft lachte, und zwar über "le pauvre Holterling" angesichts dessen Sophokles-Übersetzungen. "Was sagst Du zu Hölderlins Sophokles? Ist der Mensch rasend oder stellt er sich nur so, und ist sein Sophokles eine versteckte Satire auf schlechtes Übersetzen? Ich habe neulich abends, als ich mit Schiller bei Goethe aß, beide recht damit regaliert. Lies doch den vierten Chor der ›Antigone‹ - Du hättest Schiller sehen sollen, wie er lachte!" Dies vermeldet der junge Heinrich Voß. Die Literatur- und Theaterzeitung schrieb 1782 über die "Räuber": "Es kommt soviel schwülstiges Zeug, einige Male wahrer Unsinn vor, daß man in den ernsthaftesten Szenen sich kaum des Lachens enthalten kann." Von den Aberdutzenden Parodien und Scherzgedichten auf und um Schiller-Texte will ich gar nicht reden. Wie es da oftmals zugeht, zeigt Walter Meckauer mit seinem Limerick: "Ein Fischer, geboren in Allenstein, saß bei Java auf einem Korallenstein. Und wie er da saß, den Fischen er las aus Shakespeare oder aus Wallenstein." Vielleicht hat aber doch ein "Repräsentant des vulgären Geschmacks" recht, Garlieb Merkel, Autor der bedeutsamen Schrift "Die Letten vorzüglich in Liefland am Ende des philosophischen Jahrhunderts", mit seiner Meinung, "daß Schiller nur da volle Naturwahrheit hat, wo er sich zum Komischen herabläßt, zum Beispiel in der militärischen Posse ›Wallensteins Lager‹. Ich glaube daher, wenn Schiller alt geworden wäre, so würde er sich bei gesunkener Kraft einmal den Spaß gemacht haben, die deutschen Komiker in der Mode sämtlich von der Bühne zu jagen. Ein paar Stücke von ihm hätten hingereicht, jene dem Publikum zu verleiden." Dazu ist es ja nun leider nicht gekommen. Bekanntlich mußte Friedrich Schiller unter Qualen seine ewigen Kunstwerke einem siechen Leib abtrotzen, an dessen Vergänglichkeit ihn jede Stunde mahnte. Gewiß, die Umstände von Schillers Tod sind nicht erfreulich. In einem Reclam-Bändchen zur "deutschen Literatur in Text und Darstellung: Klassik" läßt die Herausgeberin Gabriele Wirsich-Irwin ihre Kurzbiographie des Dichters mit der Bemerkung enden: "Die Arbeit an dem Trauerspiel ›Demetrius‹ wurde durch den Tod abgebrochen." Ein merkwürdiger Satz. Der Dichter Schiller ist nur unter höchster Anstrengung als Lachsack verwendbar, aber so kommt durch ihn dann doch noch ein bißchen Scherz in die Welt. |
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