Inhalt der Printausgabe

Mai 2005


Humorkritik
(Seite 5 von 8)

Desperate Housewives
Daß heitere Frauenversteherei in Fernsehserien eine Medienhysterie auszulösen vermag, kann man nicht erst seit dem Ende der mittelmäßigen Sitcom "Sex and the City" wissen. Schon bei "Ally McBeal" fühlte sich jeder gerade noch Sprechfähige zur Kommentarabgabe veranlaßt, was sonst nur bei Katastrophen zu beobachten ist. Und weil die Suchtpersönlichkeit bei Verlust der einen Droge sich sofort eine neue sucht, wurde von Boulevard bis Feuilleton schon die nächste Serie ermittelt, die Fußballspieler im Kicker-Fragebogen bei "Welche Fernsehsendung sehen Sie Ihrer Partnerin zuliebe?" eintragen werden: "Desperate Housewives".
Das ist zurzeit die quotenstärkste US-Fernsehproduktion. Sie handelt primär von vier Bewohnerinnen der berüchtigten "suburbia", der weiß dominierten Vorstadt der gehobenen Mittelschicht. Die Charaktere sind klar konzipiert: Die erste ist eine alleinerziehende Mutter mit großer Sehnsucht nach Liebe und einer Tolpatschigkeit, die sie jede Woche in neue Peinlichkeiten taumeln läßt; die nächste ist die "perfekte" Ehefrau und Mutter, der der Schein über alles geht, deren Mann und Kinder das Spiel jedoch nicht mehr ertragen; die dritte ist eine vormals erfolgreiche Ge-schäftsfrau, die dank mehrerer Schwangerschaften an Heim und Balg gebunden ist; und die letzte ist ein ehemaliges Model, dem reicher Mann und große Villa nicht das er-hoffte Glück gebracht haben.
Die eigentlich fünfte im Bunde, und das ist immerhin ein interessanter erzählerischer Kniff, schießt sich in den ersten dreißig Sekunden der Pilotfolge in den Kopf, bleibt aber die (allwissende) Erzählerin. Doch viel von ihrem Wissen verrät sie nicht. Denn obwohl sich in "Desperate Housewives" neben guten Darstellern und feiner Optik durchaus komische, wenn auch wenig innovative Konzepte verstecken, so ist die Serie vor allem eins: eine Seifenoper, vor deren Abspann natürlich etwas Mysteriöses geschehen muß, damit das Zuschauerinteresse nicht erlahmt.
In jeder Episode werden neue Baustellen eröffnet, bevor bei den alten überhaupt das Gerüst steht. Wenn also Pro7 die Hausfrauen ins deutsche "Free-TV" holt und der Hype losbricht, sei der Humorfeinschmecker vorgewarnt: Je weiter die erste Staffel voranschreitet, desto mehr hat man das Gefühl, jemand hätte die "Dallas"-Schreiber aus dem Altersheim geholt und dazu gezwungen, die letzten fünfzehn Jahre TV-Serien-Geschichte in eine einzige Soap zu packen. Da gehen leider auch die wenigen komischen Momente unter.
Insgesamt also ein würdiger Nachfolger für "Sex and the City".


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hände hoch, Rheinmetall-Chef Armin Papperger!

Laut einem CNN-Bericht lagen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten Hinweise zu russischen Plänen für einen Angriff auf Sie vor. So etwas nennt man dann wohl »jemanden mit seinen eigenen Waffen schlagen«!

Mörderpointe von Titanic

 Diese Steilvorlage, Kristina Dunz (»Redaktionsnetzwerk Deutschland«),

wollten Sie nicht liegenlassen. Die Fußballnation hatte sich gerade mit der EM-Viertelfinalniederlage gegen Spanien angefreundet, der verlorene Titel schien durch kollektive Berauschtheit an der eigenen vermeintlich weltoffenen Gastgeberleistung sowie durch die Aussicht auf vier Jahre passiv-aggressives Gemecker über die selbstverständlich indiskutable Schiedsrichterleistung (»Klarer Handelfmeter!«) mehr als wiedergutgemacht, da wussten Sie einen draufzusetzen. Denn wie es Trainer Julian Nagelsmann verstanden habe, »eine sowohl fußballerisch als auch mental starke National-Elf zu bilden«, die »zupackt und verbindet«, hinter der sich »Menschen versammeln« können und der auch »ausländische Fans Respekt zollen«, und zwar »auf Deutsch« – das traf genau die richtige Mischung aus von sich selbst berauschter Pseudobescheidenheit und nationaler Erlösungsfantasie, die eigentlich bei bundespräsidialen Gratulationsreden fällig wird, auf die wir dank des Ausscheidens der Mannschaft aber sonst hätten verzichten müssen.

Versammelt sich lieber vorm Tresen als hinter elf Deppen: Titanic

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 Moment, Edin Hasanović!

Sie spielen demnächst einen in Frankfurt tätigen »Tatort«-Kommissar, der mit sogenannten Cold Cases befasst ist, und freuen sich auf die Rolle: »Polizeiliche Ermittlungen in alten, bisher ungeklärten Kriminalfällen, die eine Relevanz für das Jetzt und Heute haben, wieder aufzunehmen, finde ich faszinierend«, sagten Sie laut Pressemeldung des HR. Ihnen ist schon klar, »Kommissar« Hasanović, dass Sie keinerlei Ermittlungen aufzunehmen, sondern bloß Drehbuchsätze aufzusagen haben, und dass das einzige reale Verbrechen in diesem Zusammenhang Ihre »Schauspielerei« sein wird?

An Open-and-shut-case, urteilt Titanic

 Du, »MDR«,

gehst mit einer Unterlassungserklärung gegen die sächsische Linke vor, weil die im Wahlkampf gegen die Schließung von Kliniken plakatiert: »In aller Freundschaft: Jede Klinik zählt.« Nun drohen juristische Scharmützel nebst entsprechenden Kosten für beide Seiten. Wie wäre es, wenn die Linke ihr Plakat zurückzieht und im Gegenzug nur eine einzige Klinik schließt? Die Ersparnisse dürften gewaltig sein, wenn die Sachsenklinik erst mal dichtgemacht hat.

Vorschlag zur Güte von Deinen Sparfüchsen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster