Inhalt der Printausgabe
Oktober 2004
Humorkritik (Seite 4 von 6) |
Lingua Comica Tertii Imperii |
Schrieb ich kürzlich, daß Elias Canetti kaum als großer Komiker bekannt geworden sei und "Die Blendung" auch nicht als lustiger Roman, so gilt dies in nicht geringerem Maße auch für Victor Klemperer und sein Standardwerk "LTI"; und doch mußte ich lachen, als ich unlängst in dieser klugen Sprachkritik des Dritten Reiches blätterte. Da beschreibt Klemperer die Wandlung des Begriffs "fanatisch" unter den Nationalsozialisten, die ihm die negative Konnotation nahmen und Fanatismus geradezu zur Tugend erklärten, und zitiert aus einer Göring-Monographie, in der "der Reichsmarschall unter anderem auch als ›fanatischer Tierfreund‹ gerühmt" wurde. Eine schöne Vorstellung: wie der Chef der Luftwaffe erst eine halbe Stunde fanatisch mit der Katze spielt, dann radikal mit dem Hund rausgeht und zuletzt blindwütig den Vogelkäfig saubermacht. Schade, daß Göring nicht auch als "fanatischer Humanist" bekannt war, das hätte ich noch lieber gelesen. Wenig später allerdings stieß ich auf eine weitere Nazi-Formulierung, die aus heutiger Perspektive durchaus komisch gelesen werden kann und die abermals im Zusammenhang mit Haustieren steht. Vermutlich war der Autoritätsrausch des Dritten Reichs dort am groteskesten, wo er sich im Nichtigsten austobte: "Ich durfte", berichtet Klemperer, "dem Tierschutzverein für Katzen keinen Beitrag mehr zahlen, weil im Deutschen Katzenwesen - wahrhaftig, so hieß jetzt das zum Parteiorgan gewordene Mitteilungsblatt des Vereins - kein Platz mehr war für artvergessene Kreaturen, die sich bei Juden aufhielten." |
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