Inhalt der Printausgabe

Oktober 2004


Humorkritik
(Seite 3 von 6)

Gnubargsua Enie
Welcher Mensch, der endlich einmal seine Ruhe vor den lieben Nebenmenschen haben und ungestört sein eigenes Leben leben will, träumt nicht davon, endlich einmal seine Ruhe vor den lieben Nebenmenschen zu haben und ungestört sein eigenes Leben zu leben? Nun, davon träumt wohl jeder, der endlich einmal… doch halten wir inne: In Wahrheit ist das ja unmöglich. In der Dichtung hingegen ist es - nun, wie es da ist, schilderte schon 1914 Alexander Moritz Frey in seinem Roman "Solneman der Unsichtbare" (1984 wiederaufgelegt bei Suhrkamp, heute erhältlich beim Antiquar Ihres Vertrauens oder unter zvab.de), worin es um jemanden geht, der endlich einmal…
Ein rätselhafter Fremder kommt in die Stadt, weist einen faustgroßen Diamanten vor und kauft den Park, zieht rings eine hohe Mauer empor und läßt sich nie mehr blicken. Die Gerüchteküche aber dampft: Wer ist dieser Mann, was treibt er da, und darf der das? Sonderbare Dinge werden kolportiert: Er hat eine Negerin als Diener! Er hat "fünfzehn Bände Schopenhauer aus gegerbter Menschenhaut" erworben! Er reitet auf einem Elefanten! Man gräbt einen Tunnel, um zu ihm zu gelangen, probiert es mit dem Luftschiff, versucht noch vieles andere und läßt nicht locker, denn der Autor hat immer noch einen Einfall im Köcher und steigert die Neugier der Menge über den Wahnsinn zur Raserei - bis endlich der rätselhafte Fremde namens Hciebel Solneman die Nase voll hat und eines Tages ins Blaue verschwunden ist alswie ein Phantom, und der Name sagt es bereits…
Daraus, wie schön hier Mensch und Masse zusammenprallen, lassen sich nun viele Lehren ziehen; um so mehr, als selbstverständlich das rätselhafte Individuum auch Künstler und Forscher ist und die Gesellschaft aus lauter Spießbürgern besteht, also völlig normal ist. Natürlich läßt sich auch trefflich psychologisieren, anthropologisieren und noch anders -ologisieren, denn womöglich können die lieben Nebenmenschen einen, der seine Ruhe vor ihnen haben will, eben deshalb nicht in Ruhe lassen, denn sie halten es nicht aus, jemand anderem wurschtegal und schlechterdings unwichtig im Kosmos zu sein.
Und man könnte sich auch fragen, ob der Traum, endlich einmal seine Ruhe vor den lieben Nebenmenschen zu haben und ungestört sein eigenes Leben zu leben, nicht schon daran scheitert, daß man seine lieben Nebenmenschen ganz furchtbar vermissen würde und sowieso gar kein eigenes Leben hätte. Aber das ist ein anderes Buch. Aber wie heißt es? Oder ist es bislang namenlos geblieben?


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
07.05.2024 Köln, Stadthalle Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
07.05.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Kathrin Hartmann
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella