Inhalt der Printausgabe
Januar 2004
Humorkritik
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Tatort Deutschland |
Spaß, Ironie und Augenzwinkern gehören ja längst zum Standard jeder noch so unambitionierten Fernsehkrimiproduktion, wobei man sich beim Fernsehfunk gern auf die Funken verläßt, die die gewohnheitsmäßig grobe Unterschiedlichkeit der Ermittler angeblich und wenigstens nach Autorenmeinung direkt schon automatisch stieben läßt. Das gelingt, um mal bei meinem Lieblingsformat "Tatort" zu bleiben, längst nicht immer, denn Konstellationen wie alter Hase - junger Spund (Ehrlicher/Kain, Leipzig), braver Vater - einsamer Wolf (Stark/Ritter, Berlin) oder gar Frau - Mann (Odenthal/ Kopper, Ludwigshafen) sind, bei aller Geschliffen- und Schönheit der Charaktere, halt doch zu notorisch, um über das Erwartbare hinaus komisch zu sein. Meine Lieblinge sind, damit das auch einmal gesagt sei, die Herren Ivo Batic und Franz Leitmayr von der Kripo München, die als Kriminalerduo eben nicht über ihre Unterschiede funktionieren, sondern über das, was sie eint: den eingegrabenen Sarkasmus, die Müdigkeit und die Überzeugung, daß sich in diesem Leben nichts Wesentliches mehr ändern werde. Sie sind nicht Jack Lemmon und Walther Matthau, sie sind zweimal Matthau, und sie müssen sich längst nicht alles sagen, weil sie längst alles wissen. Darin sind sie den mittlerweile Pensionisten Stoever und Brockmöller (Hamburg) verwandt, ohne aber deren überironisches und am Schluß schon schwererträgliches Ehe-Miteinander zu kopieren. Das, was an interpersonaler Spannung fehlt, machen (meistens) Bücher wett, die sich von der tiefen Melancholie der beiden wie von selbst ins Abgründige, schaurig Periphere ziehen lassen: Unvergessen ist mir bis heute die Szene, in der eine Verfolgungstour in einer Bauern-Demo endete, der Dienstwagen mit den hilflosen Kommissaren zwischen aufgebrachten Landwirten festsaß und schließlich eine Kuh durchs Autofenster guckte oder werweiß sogar brüllte: Dämonie, Tücke des Subjekts und höhere Auflösung in einem - selten war mir so klar, warum ich überhaupt so gerne Kriminalfilme gucke. Jüngstes Beispiel des feinen Münchner Humors war der Kollege Brunner, der in der Folge "Im Visier" mehrmals namentlich und dramaturgisch erfreulich sinnlos, ja beinahe godotmäßig auftauchte, ohne je anders Gestalt zu gewinnen als im Gespräch zwischen Franz und dem ewigen Assistenten Carlo wie Ivos wiederholter Frage: "Wer ist denn dieser Brunner?" Ich, wir haben es bis zum Schluß nicht erfahren: womit mindestens die Autoren S. Bührer und P. Fratzscher der höheren Komikbegabung überführt wären. |
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