Inhalt der Printausgabe
April 2004
Humorkritik
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Gedruckte Paparazzi |
Schon mal gesehen, wie Thomas Bernhard in einen Hundehaufen trat? Wie Dieter Bohlen in der Café-Passage des Springer-Verlags die Naßräume aufsuchte? Zufällig Zeuge geworden, wie Wolfgang Lippert am Silvesterabend fluchend an der verschlossenen Tür einer Videothek rüttelte? Ein solches oder ähnliches Erlebnis reicht schon für den Aufnahmeantrag bei den Höflichen Paparazzi, deren beste Geschichten nun bei Eichborn als Buch erschienen sind ("Wie Franz Beckenbauer mir einmal viel zu nahe kam", hrsg. von Christian Ankowitsch und Tex Rubinowitz). Viele dort geschilderte Promibegegnungen sind reichlich banal, doch ist das kein Nachteil, sondern geradezu Konzept - stammen sie doch alle aus den Federn der Internetgemeinde rund um das Forenportal www.hoefliche-paparazzi.de. Das Forum, seit drei Jahren besteht es in dieser Form, ist längst kein Geheimtip mehr: Selbst der Spiegel und Harald Schmidt, der selbst als Nasenbohrer decouvriert wird, haben inzwischen mehrfach darauf aufmerksam gemacht. Das hatten sich Ankowitsch und Rubinowitz zwar verbeten, aber genutzt hat es natürlich nichts: 9000 Mitglieder gibt es mittlerweile und eine viertel Million Beiträge; mittlerweile ist auch die Grenze zwischen Star und Paparazzo fließend geworden. Für die Höflichen Paparazzi schreibt längst auch Semiprominenz wie Hermes Phettberg, Wolfgang Müller (Die Tödliche Doris) und Joachim Lottmann ("Deutsche Einheit"). Bücher, die aus Internetforen entstanden sind, gibt es leider schon einige: Wendy Northcutts "Darwin-Awards" (Goldmann) etwa berichten über merkwürdige selbstverschuldete Todesfälle, und auch Christian Ankowitsch hat bereits zwei davon veröffentlicht ("Alles bonanza" über die 70er Jahre und "Es geht voran" über die 80er, beide bei Böhlau erschienen). Ihnen allen eignet etwas höchst Flüchtiges: Sie zerfallen einem unter der Hand, weil sie entstehungsbedingt keinem oder höchstens einem oberflächlichen Ordnungsprinzip unterworfen sind, die Beiträge sind von wechselnder Qualität, und man kann sie nur in kleinen Portionen genießen - zu sehr verlieren sonst die einzelnen Beiträge den Glanz des Besonderen, zu ähnlich werden die einzelnen Texte. Vielleicht ist ihnen allen auf geradezu metaphysische Weise noch die Vergänglichkeit des Internet-Gerausches eingeschrieben. Kurzweilig ist "Wie mir Franz Beckenbauer einmal viel zu nahe kam" allerdings, jedenfalls zum größeren Teil. Und wenn man beizeiten genug von Geschichten hat, in denen sich z.B. Robert Gernhardt Feuer geben läßt, weiter jedoch nichts passiert, kann man ja im Internet-Forum nachsehen, ob es inzwischen aufregendere Begegnungen mit kleinen und großen Stars gibt. |
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