Inhalt der Printausgabe

April 2004


Humorkritik
(Seite 3 von 7)

Franken ist nicht Westerwelle

Liberale gibt es leider überall, und überall sorgen sie freiheitlich für Verwirrung; in den Vereinigten Staaten steht die Bezeichnung "Liberaler" für etwas grundsätzlich anderes als in Deutschland. Die Versuchung ist groß zu sagen: Ein amerikanischer Liberaler ist das Gegenteil von Guido Westerwelle. Aber dafür müßte Westerwelle ja erst mal für irgend etwas stehen; deshalb ist es einfacher, die amerikanische Definition zu verwenden: Ein Liberaler ist ein Anhänger der Demokraten, der links von der Mitte steht. In der Prä-Clinton-Ära erkannte man einen US-Liberalen auch daran, daß er vehement bestritt, ein Liberaler zu sein. Reagan und Konsorten hatten den Liberalen erfolgreich ein Weichei-Image verpaßt.
Seit dem Amtsantritt von George W. Bush hat sich das geändert. Immer mehr bekennende Liberale melden sich zu Wort, inzwischen gibt es in den USA von liberalen Polemikern fast so viele Bücher wie von deutschen Prominenten Autobiographien. Der in Deutschland bekannteste Vertreter dieses Genres ist Michael Moore, als intellektuellster gilt Al Franken. Allerdings wird der Harvard-Absolvent mit dieser Beschreibung nicht vollständig getroffen. Al Franken hatte eine wechselvolle Komödiantenkarriere hinter sich, bevor er sich als Buchautor etablierte.
Franken war im Team von "Saturday Night Live", als diese Show ihre beste Zeit hatte - in den siebziger Jahren. Er war allerdings auch in den Neunzigern dabei, als SNL bislang ungekannte Tiefen erforschte. Danach versuchte sich Franken als Filmemacher ("Stuart Saves His Family"), Sitcom-Protagonist ("LateLine") und Drehbuch-Koautor ("When a Man Loves a Woman" mit Meg Ryan). Seine Berufung fand Al Franken, als er 1999 das Buch "Rush Limbaugh is a Big Fat Idiot and Other Observations" veröffentlichte. Rush Limbaugh ist ein Radiomoderator, der sich als White-Trash-Sprachrohr versteht. Limbaugh bündelt Vorurteile mit Pöbeleien; Andersdenkende (obwohl es in diesem Fall einfacher wäre, schlicht von Denkenden zu sprechen) werden niedergebrüllt und beleidigt. Al Franken kam nun auf die Idee, ein Recherche-Team anzustellen, welches Limbaughs Stuß akribisch widerlegt. Dieses Material bereitet der Autor satirisch auf und garniert es mit ausgewählten Pöbeleien. Da Limbaugh den Köder bereitwillig schluckte und nun auch gegen Franken wetterte, hatte der für seinen Titel genügend Publicity.
Im Wahljahr 2000 erschien "Why Not Me?", eine Persiflage auf die Bewerbung um das Präsidentenamt. Natürlich plündert Kandidat Franken seinen Fundus an Plattheiten: Al Franken verspricht, wenn er gewählt ist, Präsident aller Amerikaner zu sein. Für ihn als Juden hieße das unter anderem, sein Amt so zu führen, daß auch "Antisemiten mit mir zufrieden sind". Al Frankens jüngstes Buch "Lies and the Lying Liars Who Tell Them" (jetzt bei Riemann unter dem Titel "Kapitale Lügner" erhältlich) widmet sich mit der mittlerweile bewährten Franken-Methode den Repräsentanten der neokonservativen Medien. Da Franken witzig schreibt, lohnt es sich, auch jene Texte zu lesen, deren Protagonisten einem nicht sofort vertraut sind.
Vorwerfen ließe sich dem Autor, daß seine Parteilichkeit geradezu an Nibelungentreue grenzt. Für ihn ist ein von Bill Clinton geführter Krieg ein guter Krieg, ein sexistischer HipHopper ein Künstler, weil er von Konservativen angegriffen wird, und jede Niederlage der Demokraten letztlich verursacht durch eine Intrige der Republikaner. Da wünscht man Al Franken etwas weniger Prinzipienfestigkeit oder - anders gesagt - etwas mehr teutonische Liberalität.


   1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7   


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt