Inhalt der Printausgabe

September 2003


Humorkritik
(Seite 9 von 9)

Blackmores Blackout

Auf die Neigung des ehemaligen Deep-Purple-Gitarristen zu "practical jokes" wurde an dieser Stelle schon hingewiesen (TITANIC 3/03), aber damals konnte ich nicht ahnen, was der Meister noch Großes plante. Es begab sich am 20. Juli, daß "Blackmore's Night" den ZDF-Fernsehgarten besuchten und diese an Dämlichkeiten nicht eben arme Sendung mit ihrem Auftritt krönten.
Blackmore und seine Truppe sahen aus wie Komparsen aus der letzten "Herr der Ringe"-Verfilmung, die Melodie des auf mittelalterlich getrimmten Schlagers erinnerte aufs peinlichste an "Was wollen wir trinken?" und andere einfältige Hymnen, wie sie in den Achtzigern verbreitet waren. Nach Ritchies Lautensolo holte eine blonde Mamsell eine meterlange Blockflöte heraus und begann, darauf Flötenspiel zu simulieren. Wie Kenner mühelos verstanden, war das keine phallische Anspielung, sondern ein subtiler Seitenhieb auf Ian Anderson, den Flötenschlumpf der Deep-Purple-Konkurrenz Jethro Tull. Während des Vortrags hüpfte die ganze Bande in einer Pseudo-Ausgelassenheit durch die Gegend, die unschön an eine schwedische Stumpfsinns-Combo erinnert, deren Namen ich zum Glück vergessen habe (aber einer ihrer Hits hieß "Cotton Eye Joe"). Einzige Ausnahme war der Bassist, der den Refrain widerwillig wie ein Fußballer die Nationalhymne playbackte und dabei immer wieder furchtsam zu seinem Boß sah. Die Blicke sprachen Bände: "Hoffentlich hält er mich nicht für Roger Glover und schmeißt mich raus."
Am Ende krähte die Moderatorin begeistert: "Das war Ritchie Blackmore's Night" - ein Redakteur hatte ihr wohl erzählt, was für ein fulminanter Fang den Fernsehgärtnern da ins Netz gegangen war ("Der Ex-Gitarrist von Deep Purple! Deep Purple!! Damit müssen wir doch die jungen Zuschauer kriegen!!!"). Mr. Blackmore griente derweil in sein frisch gewachstes Menjoubärtchen und verschwand.
Musikalisch hat Ritchie Blackmore seinen Zenith schon vor Jahren überschritten; aber als Protagonist semisubversiver Happenings ist offenbar immer noch mit ihm zu rechnen. Dies trieb mir ein Tränlein der Rührung in die Augen. Fast so, wie es der Rauch über dem Wasser vor Jahrzehnten getan hatte.



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt