Inhalt der Printausgabe

September 2003


Humorkritik
(Seite 4 von 9)

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Bob Hope ist tot. Der Komiker verstarb am 27. Juli in Kalifornien. Da er zwei Monate zuvor seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hatte, wäre es sicher falsch zu behaupten, daß der Tod überraschend kam; eher ist das Gegenteil wahr. Vor einigen Jahren wurde Bob Hope schon einmal für tot erklärt, was er - ganz in der Schule Mark Twains - für eine ziemliche Übertreibung hielt. Wenn dieser Text erscheint, sind die üblichen Nachrufe längst gedruckt, vielleicht gelesen und bestimmt schon kompostiert. In den Feuilletons erinnerte man an Hopes "Road to…"-Filme mit Bing Crosby, Cineasten vermerkten wohl die Tatsache, daß Hope mit "Paleface" einen nahezu feministischen Film gedreht hat, schließlich ließ er sich darin als feiger Zahnarzt von Jane Russell nach Herzenslust durch die Gegend scheuchen. Und nicht zuletzt wurden seine unzähligen Auftritte vor US-Truppen erwähnt, seine über tausend Radiosendungen, vierhundert Fernsehshows und annähernd achtzig Spielfilme. So würdigte man eine Entertainment-Größe, deren Zeit vorbei und deren Einfluß nicht mehr zu spüren ist.
Was nicht ganz stimmt. Hope war ein methodischer Witzemacher, der seine Gags sammelte, nach Themen sortierte und veröffentlichte. Davon profitierten Witzbolde weltweit bis heute. Bob Hope machte sich gerne über Bob Hope lustig, speziell über dessen große Nase; wie gut solche Gags funktionieren, davon weiß unter anderem Mike Krüger ein Lied zu singen.
Bob Hope arbeitete mit Gagschreibern, einer hieß Gene Perret, den Hope von Carol Burnett abgeworben hatte. Nach seiner aktiven Zeit verlegte sich Perret aufs Lehrbuch-Schreiben. Er publizierte Werke wie "Comedy Writing Step by Step" oder "Comedy Writing Textbook" oder "The Little Giant Book of One-Liners". Dem Vernehmen nach werden diese Bücher bis heute bei deutschen Comedy-Workshops verwendet. Auffällt, wie viele Comedians (von Harald Schmidt über Stefan Raab, die Pro7-Quatsch-Club-Komödianten und viele andere) sich der Perretschen Formeln bedienen. Es gibt unzählige Oneliner nach dem Modell: "Das ist ja so, als ob…", "X ist so dick, daß…" etc. In Perrets Büchern werden diese Witz-Formeln durchexerziert: komische Übertreibungen und verblüffende Vergleiche. Wenn der Eleve auf Bilder kommt wie "Ihre Augen waren so blau wie der Hintern des dritten Mannes auf einem Zweierbob" - dann ist er auf dem richtigen Weg.
So hat Bob Hope indirekt zum Comedy-Boom in Deutschland beigetragen. Handwerkliche Schulung schadet selten, insofern ist dieser Einfluß zu begrüßen. Allerdings wäre es schön, wenn sich zu dem Handwerkszeug auch ein wenig Originalität gesellen würde. Ich jedenfalls heiße mich hoffen.



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lieber Fritz Merz,

im Podcast »Hotel Matze« sagst Du, dass Du in Deutschland große Chancen bekommen hättest und etwas zurückgeben wolltest. Jawollo! Wir haben da direkt mal ein bisschen für Dich gebrainstormt: Wie wär’s mit Deinem Privatjet, dem ausgeliehenen vierten Star-Wars-Film oder dem Parteivorsitz? Das wäre doch ein guter Anfang!

Wartet schon ganz ungeduldig: Titanic

 Kleiner Tipp, liebe Eltern!

Wenn Eure Kinder mal wieder nicht draußen spielen wollen, zeigt ihnen doch einfach diese Schlagzeile von Spektrum der Wissenschaft: »Immer mehr Lachgas in der Atmosphäre«. Die wird sie sicher aus dem Haus locken.

Gern geschehen!

Eure Titanic

 Ach, welt.de!

Die Firma Samyang stellt offenbar recht pikante Instant-Ramen her. So pikant, dass Dänemark diese jetzt wegen Gesundheitsbedenken vom Markt genommen hat. Und was machst Du? Statt wie gewohnt gegen Verbotskultur und Ernährungsdiktatur zu hetzen, denunzierst Du Samyang beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, wo Du fast schon hämisch nachfragst, ob das Produkt vielleicht auch hierzulande verboten werden könne.

Das Amt sekundiert dann auch sogleich bei der Chilifeindlichkeit und zählt als angebliche »Vergiftungssymptome« auf: »brennendes Gefühl im (oberen) Magen-Darm-Trakt, Sodbrennen, Reflux bis hin zu Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen im Bauch- und Brustraum. Bei hohen Aufnahmemengen können zudem Kreislaufbeschwerden auftreten – beispielsweise Kaltschweißigkeit, Blutdruckveränderungen und Schwindel«. Hallo? Neun von zehn dieser »Nebenwirkungen« sind doch der erwünschte Effekt einer ordentlich scharfen Suppe! Erbrechen müssen wir höchstens bei so viel Hetze!

Feurig grüßt Titanic

 Hände hoch, Rheinmetall-Chef Armin Papperger!

Laut einem CNN-Bericht lagen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten Hinweise zu russischen Plänen für einen Angriff auf Sie vor. So etwas nennt man dann wohl »jemanden mit seinen eigenen Waffen schlagen«!

Mörderpointe von Titanic

 An Deiner Nützlichkeit für unsere Knie, Gartenkniebank AZBestpro,

wollen wir gar nicht zweifeln, an Deiner Unbedenklichkeit für unsere Lungen allerdings schon eher.

Bleibt bei dieser Pointe fast die Luft weg: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster