Inhalt der Printausgabe
September 2003
Humorkritik
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Pro domo |
Hin und wieder erreichen mich Gerüchte um meine Existenz respektive Nichtexistenz. Mich gebe es nämlich gar nicht, vernehme ich dann mit Staunen, ich sei lediglich das Sammelpseudonym mehr oder minder verschämter Menschen, die sich hinter dem imaginären Rücken eines ebenso wesenlosen alten Mentz versteckten. Ich bin freilich zu lebenserfahren, um ernstlich zu glauben, einem Gerücht zu begegnen führe zu etwas anderem, als es zu zementieren. Gleichwohl habe ich mir die Hoffnung bewahrt, daß es hie und da ein paar Gerechte gibt, die die Beweiskraft eines unanfechtbaren Belegs anerkennen. Dieser findet sich im "Narrenschiff". Ich darf als bei meiner Leserschaft bekannt voraussetzen, daß es sich bei diesem 1494 erstmals erschienenen Buch um den populärsten und bedeutendsten satirischen Text der frühen Neuzeit handelt. Im 75. Kapitel beklagt der Autor, der Basler Juraprofessor Sebastian Brant, die unheilvolle Neigung seiner Zeitgenossen zu "grossem ruemen". Er schreibt: "Die gäcken, narren ich ouch bring / Die sich berümen hoher ding / Vnd wellet syn, das sie nit sint / Vnd wünend, das all welt sy erblyndt / Man ken sie nit, vnd frog nit noch / Mancher will edel syn, vnd hoch (…) / Vnd will das man jn juncker nen / Als ob man nit syn vatter ken / Das man spräch, meyster hans von Mentz / Vnd ouch syn suon juncker Vincentz" und immer so weiter in noch heute beeindruckender Pointenlosigkeit - aber was lernen wir daraus? Dreierlei. Erstens: Bereits vor über fünfhundert Jahren wollte so mancher Prahlhans, um edel und hoch zu erscheinen, mit dem einzig wahren Meister Hans von Mentz gleichgesetzt werden. Zweitens: Auch damals schon gab es aufmerksame Satiriker, die eine solche Anmaßung nicht unangeprangert ließen. Und drittens: Wenn ich mich an dieser Stelle gelegentlich als "der alte Mentz" attributiere, so steht dahinter nicht Koketterie oder gar Camouflage, sondern es hat damit durchaus seine Bewandtnis. |
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