Inhalt der Printausgabe
April 2003
Humorkritik
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Hallo Lenin |
Gute Grundideen für sentimentale Komödien gibt es nicht viele. Chaplin hatte zumindest eine, die er in "Lichter der Großstadt" verwirklicht hat: Ein Tramp wird von einem blinden Blumenmädchen für einen Millionär gehalten und schafft es tatsächlich, ihm diese Rolle vorzuspielen, bis es durch seinen Einsatz das Augenlicht wiedererhält. Robin Williams ist in "Mrs. Doubtfire" ein geschiedener Ehemann, der eine Gouvernante spielt, um seinen Kindern nahe sein zu können. Gwyneth Paltrow ist in "Shakespeare in Love" ein adliges Mädchen, das sich für einen Schauspieler ausgibt, um den Romeo spielen zu können. Dustin Hoffman spielt "Tootsie", um… - genug der Beispiele! In jedem Fall handelt es sich um gutgemeinte Vortäuschungen. In "Goodbye Lenin" von Wolfgang Becker (Buch: Bernd Lichtenberg) fälscht ein Sohn seiner todkranken Mutter zuliebe einen Ausschnitt der Realität, um der alten Sozialistin den Schock der Wiedervereinigung unter kapitalistischen Vorzeichen zu ersparen. Die Idee ist großartig. Wenn der Film nicht ganz gelungen ist, so liegt das daran, daß er sich das dramaturgische Leben am Ende selbst schwermacht, indem er mitten im dritten Akt eine Figur wieder auftauchen läßt, die der Zuschauer - ich spreche von mir - nie vermißt und längst vergessen hatte. Eine Szene schafft das Problem: Die Mutter gesteht, daß der Vater sich seinerzeit nicht eigennützig und verantwortungslos in den Westen abgesetzt hat, sondern vom real existierenden Sozialismus vertrieben wurde. Damit wird dem Gerüst der Handlung seine wichtigste Stütze entzogen - daß es nicht zusammenbricht, liegt daran, daß der gerührte Zuschauer zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geneigt ist, sich den Spaß an der ganzen Konstruktion und den liebevollen Details verderben zu lassen. Ich wäre gern bereit, die überflüssige Viertelstunde aus den 120 Filmminuten herauszuschneiden, denn - bei aller Achtung vor dem Stilgefühl des Regisseurs und des Autors - in einem Punkt gebe ich Lenin recht: Vertrauen in eine Geschichte ist gut - Kontrolle ist besser. |
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