Inhalt der Printausgabe

April 2003


Humorkritik
(Seite 6 von 8)

Atze Schröder

Ist Atze Schröder der Wolfgang Petry der deutschen Comedy? Der ehrliche Witzarbeiter im Scherzbergwerk? Der Stammtischbruder von nebenan? Für ein Publikum, das nicht unbedingt das seine ist, mithin ungenießbar? Das waren die Fragen, die ich mir vor dem Besuch eines seiner Gastspiele hätte stellen sollen.
Doch zuvor schon war Schröder als Moderator des Deutschen Comedy Awards insofern auffällig geworden, als er sich dieser schwierigen Aufgabe mit Bravour und nicht ohne eine gewisse Grandezza entledigt hatte. Und auch der Titel seines laufenden Programms, "Meisterwerke", ließ auf eine gewisse Ironiefähigkeit schließen.
Nun, Schröders Mittel sind freilich beschränkt: Der einfache Witz, der gelungene Vergleich, die idiomatisch klingende Wendung; keine Reime, Rollen nur angedeutet, sparsame Bewegungskomik, ein paar hübsch eingesetzte running gags und, immerhin, einige Nachbrenner, die sein Publikum erst belacht, wenn bereits die nächste Pointe in Arbeit ist. Denn Schröder ist schnell; und klug genug zu wissen, daß ein Zuschauer, der sich permanent unterfordert fühlt, gefährlicher ist als einer, der bisweilen denkt: "Mensch, dieser Schröder ist mir doch manchmal einen Schritt voraus."
Den hellsten Eindruck macht das Publikum vor Beginn der Show nicht: Betriebsfeststimmung will aufkommen. Doch die legt sich schnell, denn Schröder - und etwas Überraschendes sollte jeder Auftritt ebenso haben wie die dazugehörige Kritik - Schröder erstickt diese Stimmung im Keim. Er will sich offenbar nicht verbrüdern mit seinen Zuschauern. Und dementsprechend siedelt er seinen "Atze" nicht zu tief unten an. Zwar läßt er ihn die üblichen Vorurteile kleiner Leute gegen feine Leute in feinen Restaurants und feinen Hotels witzig bestätigen, andererseits erhebt er sie über das wirkliche Elend des schlechten Geschmacks, wenn er über Autos mit "Fantasialand"-Aufklebern, "Pur"- Musikbeschallung und die Besucher von Oldie-Discos räsonniert.
Nicht ungefährlich, wenn man sich das Publikum anschaut, aber wirksam: Denn indem er das Niveau seiner Kunstfigur hebt, macht er sie als Kunstfigur erst kenntlich und schließt etwaige Einladungen zu Aftershow-Besäufnissen elegant aus. Die Leute gehen nach den Zugaben rasch, kaum jemand wartet auf Autogramme, sie haben Atze gesehen, aber irgendwie war Atze doch weiter weg, als sie dachten. Bei Meisterwerken ist er noch nicht angekommen; aber der Weg, den Schröder eingeschlagen hat, könnte dorthin führen.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg