Inhalt der Printausgabe
April 2003
Humorkritik
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Lord Dahrendorf |
Der altbackene Polit-Schafseckel Kurt Sontheimer hat es erst im Juni 2002 in der Zeit festgestellt: "Ralf Dahrendorf ist klug." Das mußte ja zu guter Letzt auch mal gesagt werden, obwohl seine Lordschaft selbsteigen nicht ermüdet, nicht ruht und rastet, um sich ebendieses ohn' Unterlaß zu attestieren, nur in etwas anderen Worten. Schon als Halbwüchsiger hat der Mann mit der Knödeltenorstimme ein Dramolett verfasst mit dem Titel "Genie!", selbstverständlich die eigene Person meinend. Auffallend oft streicht ihm heraus, daß er Direktor der "renommierten" London School of Economics war. Gräfin Dönhoff, Hans Küng, Karl Popper, Helmut Schmidt, Theo Sommer und vermutlich auch GOtt in höchster Potenz werden dem "Verfechter der Offenen Gesellschaft", wenn er dereinst abtritt und sie nicht selbst inzwischen das Zeitliche gesegnet haben, Bescheinigungen für erhebliches Grenzgängertum, Querdenkerei bzw. sogar Querbänklerei ausstellen. Er selbst hat nämlich seiner Daseinsweise als weiland Bundestagsabgeordneter der FDP vorausschauend den Titel "Querbänkler" verliehen. Der Mann ist 1929 geboren und zieht sich, auch wenn man seine Soziologie-Schmöker nie so recht wahrnehmen wollte, zäh wie Kleber durch die Jahrzehnte, ähnlich wie Rainer C. Barzel oder Ben Wischnewski, die immer noch durch die Lande zockeln. Und dennoch! Des Lords Lebenserinnerungen "Über Grenzen" (C.H. Beck) haben mir beim Lesen einigen Spaß gemacht. Etwa wegen der Unverfrorenheit, mit der er einige poetische Jugendwerke in die Seiten gepreßt hat. Oder der schönen Episode über seine kurzfristige Tätigkeit am Frankfurter "Institut für Sozialforschung" bei den auratischen Herren Adorno und Horkheimer: "Ihre kapriziösen Gespräche konnten für den Außenstehenden von entzückender, wenn auch unfreiwilliger Komik sein." So soll Horkheimer einmal gesagt haben: "Vorhin sagte ein intelligenter Student zu mir, Aristoteles' ›Beziehung von dynamis und energeia‹ erinnere ihn an Einsteins von ›Masse‹ und ›Energie‹." Horkheimer habe da, so Dahrendorf scharfsichtig, nicht von dem Studenten, sondern von sich sprechen wollen. Er fügte nämlich die Pointe hinzu: "Da habe ich zu ihm gesagt: Ja, aber bei Einstein ist ›Energie‹ auch gleich ›Masse‹!" Und nun trat wohl Adorno auf den Plan "mit allen Zeichen ehrfürchtiger Freude über die profunde Einsicht: ›Max, du hast ja recht, bei Einstein ist das eine Gleichung!‹" Es habe nicht viel gefehlt, meldet der Augenzeuge, "und die beiden wären sich in die Arme gefallen". Adorno schrieb noch vor Dahrendorfs Abgang von der Frankfurter Schule an seinen Max: jener sei "wohl der stärkste Beweis für unsere These, daß in einem strengen Sinne nach uns nichts kommt". |
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