Inhalt der Printausgabe

Juni 2002


Literaturzapping
Ror Wolf zum Siebzigsten
(Seite 6 von 7)

Ror Wolfs "Ratschläger", erschienen allesamt unter dem Pseudonym Raoul Tranchirer, sind Parodien auf die bürgerlichen Realenzyklopädien vom Ende des 19. Jahrhunderts. Trivial auch sie in ihrem aus heutiger Sicht lächerlichen Unterfangen, alles Wissen der Welt zu sammeln und so die Wirklichkeit zu ordnen. Wie hinfällig allein die alphabetische Lemmatisierung! So steht bereits auf Seite 96 des "vielseitigen großen Ratschlägers" unter E: Ende. Ich bin mit meinen Ausführungen am Ende. Mögen sie zum Wohl der denkenden Welt beherzigt werden, denn nur durch die Beseitigung der Ratlosigkeit kann der Menschheit geholfen werden - was Tranchirer nicht davon abhält, weitere knapp 250 Seiten dranzuhängen und direkt im Anschluß fortzufahren mit Englische Gebräuche. In den englischen Gebräuchen finden wir einige Besonderheiten, die so tief in den örtlichen Verhältnissen begründet sind, daß eine Übertragung auf hiesige Gepflogenheiten nicht in Frage kommt. Wir könnten sie stillschweigend übergehen und reden dennoch davon. Aha. Vielen Dank, Herr Tranchirer!
So unvermindert komisch und frisch Wolfs Oeuvre noch immer ist, so wenig beachtet ist es bis heute. Siebzig wird Wolf diesen Monat, und wohl wird das Feuilleton ihn nicht ganz vergessen; seine Auflagen werden aber weiter, zumindest im Vergleich zu seiner Größe, marginal bleiben. Immerhin entdeckt ihn anscheinend die Wissenschaft sukzessive, darauf deutet jedenfalls die zunehmende Zahl von Magister- und sogar Doktorarbeiten hin. Empfehlenswert für Wolf-Fans: die Dissertation von Kai Uwe Jürgens zur "Fortsetzung des Berichts" ("Zwischen Suppe und Mund", Verlag Ludwig). Allen anderen sei ans Herz gelegt: Ror Wolfs Gesamtwerk. Sie müssen es ja nicht durchlesen! Jedenfalls nicht von vorne nach hinten. Zappen Sie sich einfach mal rein. Denn, so schreibt Raoul Tranchirer: Das Lesen bietet einen unerschöpflichen Quell von Unterhaltung und Bildung und ist das Mittel, die Langeweile, die Kalamität der vornehmen Welt, zu verscheuchen.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg