Inhalt der Printausgabe

Dezember 2002


Humorkritik
(Seite 3 von 7)

Ostpreußen-Nachklapp

Das hatte schöne Folgen: Kaum waren meine Anmerkung zum Thema "Ostpreußischer Humor" in der letzten TITANIC-Ausgabe erschienen, meldete sich auch schon der ewig aufmerksame Kollege Gunnar Homann zu Wort. Aus latenter Neugier hatte er sich im Großreich der Antiquariate nach angestaubter Vertriebenenliteratur umgeschaut - das schöne Fundstück kann nun der Welt wieder anempfohlen werden. Bruno Dumschat heißt sinnigerweise der Autor, der schon 1983 mühelos den Nachweis um die komischen Fähigkeiten seiner davongejagten Landsmannschaft erbrachte, und zwar mit seinem leider in Vergessenheit geratenen Lyrikband "Gedichte über Ostpreußen, den Schwarzwald und die Bundesbahn". Kennt man einen Dichter, der zuvor einen ähnlich heiklen Dreisatz wagte? Kennt man überhaupt Gedichte, die Überschriften tragen wie "Die Urlaubs-Krankenschwester", "Werbeveranstaltung", "Hotelleitung" (aus der Schwarzwald-Abteilung) oder gar "Der Fahrdienstleiter", "Das Kursbuch", "Das Reisegepäck" (Abt. Bundesbahn)?
Zitieren möchte ich indes nur aus der Ostpreußen-Abteilung, aber nicht aus "Ostpreußische Trakehner", nicht aus "Bahnhof Kukoreiten", schon gar nicht aus "Schloßmühlenteich als Eislaufbahn", sondern einzig und allein aus "Ostpreußen-Likör". Den Anfang des dreizehnstrophigen Mammutriemens schenken wir uns ("Unsere Ahnen bleiben jung, / weil sie sich gönnten einen Trunk. / Es mußte etwas Herbes sein, / etwas das stärker war als Wein. / Für Ostpreußen verständlich schon, / liegt es doch in der nordisch' Zon'. / Mit Kälte muß man sich dort plagen, / das ist bekömmlich für'n Magen…" usw. usf.) und stoßen direkt zu den letzten vier Zeilen vor, in denen, wie nie zuvor in der Weltliteratur, der gesamte diffizile Ostpreußen-, Vertreibungs-, Schnaps- und Käsekomplex auf verblüffend elegante Weise enggeführt, synkretisiert und, im überraschenden Umschlag selbst einen Giganten wie Karl Gerold kühn in die Schranken weisend, mit sich selber kurzgeschlossen wird: "Des Krieges Wirren, muß ich sagen, / hatten auch mich nach West verschlagen. / Das Materielle kam nicht mit. / Das mußte bleiben in Tilsit." Dumschat sei Dank!


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg