Inhalt der Printausgabe
November 2001
Humorkritik
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Familienunterhaltung |
Versäumtes aus der Fernsehwelt gilt es nachzutragen. Die Sitcom "Frasier", fälschlich von vielen als simpler Nachschlag der sehr erfolgreichen Bierbarsaga "Cheers" abgetan und mit Mißachtung gestraft, erweist sich, wenn man die Episoden jetzt in der Wiederholung auf Sat.1 wiedersieht, als äußerst angenehme Unterhaltung auf einem für eine amerikanische Produktion untypischen Pointenniveau. Kitscharme Comedy ohne spätpubertäre Cartoon-Kraftausdrücke. Beispiel gefällig? Frasier Crane, der Radiopsychologe, hat sich von seiner Chefin im Sender anläßlich einer wichtigen Lohnverhandlung in eine Affäre verwickeln lassen. "Ich kann diese Frau im Grunde überhaupt nicht leiden", sagt er, "aber da war plötzlich dieses animalische Gefühl zwischen uns, und dann ist es eben passiert." Die einzige Frau in der Runde, Nicht-Psychologin und also die Naive, fragt entgeistert nach: "Schlafen denn Männer mit Frauen, obwohl sie die nicht leiden können?" Alle anwesenden Männer brummen in nicht vorhandene Bärte. Die Frau will den Ruf ihrer Geschlechtsgenossin retten: "Na und? Als ob ihr Männer niemals den Sex benutzt, um damit eure Ziele zu erreichen!" - "Für Männer ist der Sex das Ziel, wie also könnten wir da…" - und kopfschüttelnd wendet Frasier sich ab. Gut gebaute Dialoge in glaubhaftem Duktus und auffällig vielseitiges, gut inszeniertes Minenspiel. Der vielgelobte, aber leider ewiggrinsende Jerry Seinfeld, den man parallel zu Frasier auf Pro7 besichtigen kann, führt oft genug gegenteilige Qualitäten vor Augen. Plumpe Oneliner finden bei "Frasier" selten Platz, und die besten Pointen hat's oft gerade dann, wenn peinliches Schweigen herrscht. Gibt es das Gegenteil von Familienunterhaltung? Falls ja, dann ist der Komikerin Jennifer Saunders mit der BBC-Serie "Absolutely Fabulous" ein richtiger Schritt in diese Richtung gelungen. Jennifer Saunders als Mutter steht hier im Mittelpunkt, aber Mutter ist längst nicht mehr die Allerbeste (bei Frasier ist sie längst tot und als solche eben abwesend), sondern ein ewig versoffener Schreihals in schreienden Designerklamotten. Hierzulande wird "Abfab" sträflich mißachtet, was zu einem Gutteil an der katastrophalen Synchronisation liegen mag. Mir gelang es gelegentlich, einige untertitelte Folgen auf Arte oder 3sat zu erhaschen. In drei Staffeln von 1992 bis 1995 von der BBC erstmals ausgestrahlt, hat sich "Absolutely Fabulous" eine treue Fan-Gemeinde erobert, die ihre Internetseiten bis heute allmonatlich aktualisiert. Die Grundidee von "Abfab" ist simpel, mit einem einzigen Sketch in der Show "French and Saunders" hat es einmal angefangen. Jennifer Saunders spielt Edina, eine versiert verrückte, ihr etwas fortgeschrittenes Alter beharrlich verleugnende, jedem Trend hinterherwackelnde Modehenne. Ihre siebzehnjährige Tochter Saffron ist das genaue Gegenteil: häuslich, verantwortungsbewußt und um das Wohl der Armen in der Welt besorgt. Ein Mutter-Tochter-Konflikt mit umgekehrten Vorzeichen: Mutti wirft das Geld zum Fenster raus, fällt auf Gurus und Gucci herein und säuft mit ihrer Freundin Patsy, die in einer Wohnung direkt über einem Schnapsladen haust, die Nächte durch, wobei Edinas Job bei einer PR-Agentur die ständige Jagd nach dem jeweils neuesten Trend befeuert. Die Freundinnen Edina und Patsy sind verzogene, ich-zentrierte Monster. Sie kennen keine Moral und, falls ein Mann oder auch nur eine schöne Handtasche auftaucht, schnell auch keine Freundschaft mehr. Ihr Problem: die Angst, etwas zu verpassen, modemäßig abgehängt zu werden - der Alltag als überdrehte 24-Stunden-Party. "Abfab" ist schnell, hysterisch, überdreht. Beispiel gefällig? Nun gut, ein kleines: Die neue Chefredakteurin platzt im Stechschritt in die Redaktionskonferenz eines Modemagazins und definiert im breitesten Unterklasse-Englisch ihre redaktionelle Linie: "Ich will Seide, ich will Chiffon, ich will Batist. Ich will Titten, ich will Ärsche, und du kümmerst dich um die Accessoires, die Schuhe, die Schals. Wer ist hier für Handtaschen zuständig? Du? Gut, also Handtaschen: Gucci, Hermès, Valentino, du kümmerst dich drum. Und bring keinen Mist! Okay, das war's. An die Arbeit!" Und im selben Stechschritt entschwindet sie wieder. Man darf "Abfab" zweimal sehen, auch dreimal, wenn's dann doch wieder mit der Sprache hapert. Aber dafür gibt es ja die Videos. Oder wird Arte vielleicht eines Tages einen schönen Jennifer-Saunders-Themenabend zum Mitschneiden präsentieren? Verdient hätte sie es längst. |
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