Inhalt der Printausgabe
November 2001
Humorkritik
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Großes M! |
Alle meine Leser haben, wie ich begründet hoffen darf, des US-Bürgers Heinrich Meyer "Goethe. Das Leben im Werk" gelesen, diesen grandiosen, wenn nicht sogar gloriosen biographischen Schinken, der kurz nach seinem Erscheinen 1949 von einem deutschen Kritiker "eine kopernikanische Tat" genannt ward, was immer das bedeuten soll. Ein anderes Buch des 1904 in Nürnberg geborenen Germanisten und Bücherkundlers Meyer heißt "Was bleibt", trägt den Untertitel "Bemerkungen über Literatur und Leben, Schein und Wirklichkeit" und den Unteruntertitel "Literaturgeschichte als Provokation!" Mit Ausrufezeichen! Ein reichlich blöder Gesamttitel. In dem fast 400 Seiten reichen Text, der alle möglichen Literaturepochen und Literaten bedenkt, finden sich denn auch einerseits etliche dämliche Urteile und eitle Bekundungen, andererseits viel Zutreffendes, Wissenswertes und Komisches. Sowie "Vergleiche, Entdeckungen und Umwertungen". Meyer sagt im Vorwort: "Manche von diesen werden Ihnen absurd vorkommen. Das schadet aber nichts." Stimmt. Man freut sich, wie Meyer ungeniert etwa den schwäbischen Pürührstab Eduard Mörike niedermacht, diesen spätromantischen, frühen Latzhosenschluffi, ärgert sich aber, daß er dessen unerträglichen "Gesang Weylas" dann wiederum über die Hutschnur des grünen Klees lobt. Ich habe das Meyer-Werk mit listigem Vergnügen studiert. Und oft auch lustig lachen müssen. Etwa bei der Stelle: "Und wer ist wohl die größte Lyrikerin unserer Zeit? Das erraten Sie nicht, da Sie sie vielleicht gar nicht kennen; aber ich bin mir da sicher, wie ich es sein muß, um solche Urteile auszusprechen - es ist Erika Burkhart, die Tochter des ganz ungewöhnlichen Mannes, von dem wir >Der Reiherjäger vom Gran Chaco< haben." Mehr muß man sicher nicht wissen, weder von Fräulein Erika noch von ihrem ungewöhnlichen Reiherjägerpapa. Aber warum sollte man nicht zumindest das wissen? |
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