Inhalt der Printausgabe

Juni 2001


TITANIC-Telefon-Terror

Ausstieg jetzt!

(Seite 3 von 5)

Emmy Göring*:
»Gehen Sie zu den Türken!«


Emma Göring TITANIC ...und schon mal darüber diskutiert?
Göring Nein. Meine Gesinnung kann ich nicht ändern. Es bleibt dabei.
TITANIC Es geht uns ja nicht um die Gesinnung, sondern um die Tätigkeit in der Partei.
Göring Ja, das gehört ja zusammen!
TITANIC (vorsichtig) Sind Sie eigentlich Deutsche?
Göring (stolz) Ja, natürlich! Mein Mann ist Ausländer. Ist Gott sei Dank Deutscher geworden, und er ist stolz darauf, der hat die Deutschen immer bewundert.
TITANIC Aber bei Ihnen höre ich so ein bißchen Akzent.
Göring Das ist aber ganz egal, ich bin trotzdem Deutsche. Ich hab mein ganzes Leben lang im Ausland gelebt, als Deutsche. Und wir haben fast 1000 Jahre lang unser Deutschtum dort erhalten im Ausland, und das möchte ich jetzt hier weiterführen! Weil, was so passiert, ist unheimlich!
TITANIC Ja, wo waren Sie denn die letzten 1000 Jahre im Ausland?
Göring Die letzten 1000 Jahre waren wir und meine Vorfahren in Siebenbürgen.
TITANIC Sie wissen, daß wir attraktive Angebote machen, einen neuen Job, einen neuen Namen, das wär ja vielleicht für Sie besonders interessant...
Göring Sie sind sehr herzlich, aber ich lasse mich nicht kaufen. Korruption gibt es bei uns nicht, entschuldigen Sie!
TITANIC Wie teuer wären Sie denn?
Göring (überzeugt) Man kann uns nicht bezahlen!
TITANIC (unbeeindruckt) Aber jetzt mal ganz unter uns.
Göring Ja?
TITANIC Also: wieviel ungefähr?
Göring Haha! Na, über meine Leiche können Sie dann gehen.
TITANIC Nein, das machen wir doch nicht. Würden Sie denn wenigstens mal ein Umschulungs-Schnupperkurs-Wochenende bei uns mitmachen wollen?
Göring Mein lieber Herr vom Verfassungsschutz, wir sind ganz normal.
TITANIC Gerade normale Menschen lassen sich doch auch ganz einfach wieder eingliedern in die Gesellschaft.
Göring Charakterlose schon! Die lassen sich manipulieren, Gehirnwäsche gibt es auch unter uns Deutschen. Ich will unser Volk deutsch erhalten. Und dieses Eckchen Heimat, das wir noch haben, das möchten wir so erhalten, wie es uns der Herrgott gegeben hat. Aber gibt es nicht eine Versammlung? Daß man uns andersherum überzeugt?
TITANIC Nein, das nicht. Wir versuchen lieber, Sie zu kaufen.
Göring Nein, nein. Das hab ich mir ja leider gedacht... Gehen Sie zu den Türken, die könn' Sie vielleicht kaufen...

Schade, daß die Dame nicht aussteigen will! Denn auch wenn wir sehr höflich waren, mit ihrem Akzent geben wir ihr in einer rechtsradikalen Partei keine großen Karrierechancen.

Albert Speer*:
»Ich bin verlobt!«


Albert Speer TITANIC ...sind Sie Skinhead?
Speer Ja, von Natur! Glatze total! Ich könnte höchstens Hühnerdreck draufschmieren, das soll ja helfen.
TITANIC Versuchen Sie's! Kann ich Ihnen sonst noch was anbieten?
Speer (angewidert) Nichts. Ich bin 71 Jahre, ich verkauf mich nicht, da gibt's gewisse Damen, die verkaufen sich, aber...
TITANIC (erfreut) Ah! Ich verstehe, ich verstehe. Das können wir arrangieren, das wär kein Problem.
Speer Das brauch ich auch nicht. Ich bin verlobt mit einer 29jährigen Griechin, die sieht sehr schön und sehr gut aus.
TITANIC Eine Ausländerin? Das überrascht mich jetzt. Und ist das auch wahre Liebe?
Speer (überzeugt) Ja, uff.
TITANIC (ungläubig) Von beiden Seiten?
Speer Ja! Und ohne Probleme in allen Bereichen...

Auch in diesem Fall können wir unser Geld wohl sparen: Der Mann hat zwar seltsame Triebe (Hühnerdreck, wahre Liebe in allen Bereichen), aber er ist doch nie und nimmer ein Nazi!



Martin Sonneborn


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 »Welt«-Feuilletonist Elmar Krekeler!

»Friede eurer gelben Asche, Minions!« überschrieben Sie Ihre Filmkritik zu »Ich – einfach unverbesserlich 4«. Vorspann: »Früher waren sie fröhliche Anarchisten, heute machen sie öde Werbung für VW: Nach beinahe 15 Jahren im Kino sind die quietschgelben Minions auf den Hund gekommen. Ihr neuestes Kino-Abenteuer kommt wie ein Nachruf daher.«

Starkes Meinungsstück, Krekeler! Genau dafür lesen wir die Welt: dass uns jemand mit klaren Worten vor Augen führt, was in unserer Gesellschaft alles schiefläuft.

Dass Macron am Erstarken der Rechten schuld ist, wussten wir dank Ihrer Zeitung ja schon, ebenso, dass eine Vermögenssteuer ein Irrweg ist, dass man Viktor Orbán eine Chance geben soll, dass die Letzte Generation nichts verstanden hat, dass Steuersenkungen für ausländische Fachkräfte Deutschlands Todesstoß sind und dass wir wegen woker Pronomenpflicht bald alle im Gefängnis landen.

Aber Sie, Elmar Krakeeler, haben endlich den letzten totgeschwiegenen Missstand deutlich angesprochen: Die Minions sind nicht mehr frech genug. O tempora. Titanic

 So ist es, Franz Müntefering!

So ist es, Franz Müntefering!

Sie sind nun auch schon 84 Jahre alt und sagten zum Deutschlandfunk, Ältere wie Sie hätten noch erlebt, wozu übertriebener Nationalismus führe. Nämlich zu Bomben, Toten und Hunger. Ganz anders natürlich als nicht übertriebener Nationalismus! Der führt bekanntlich lediglich zur Einhaltung des Zweiprozentziels, zu geschlossenen Grenzen und Hunger. Ein wichtiger Unterschied!

Findet

Ihre Titanic

 Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Du warst der jüngste TITANIC-Chefredakteur aller Zeiten. Du warst der Einzige, der jemals eine klare Vorstellung davon hatte, wie das ideale Heft aussehen musste, und hast immer sehr darunter gelitten, dass sich Deine Utopie nur unzureichend umsetzen ließ. Aus Mangel an Zeit und an Mitarbeiter/innen, die bereit waren, sich Nächte um die Ohren zu schlagen, nur um die perfekte Titelunterzeile oder das richtige Satzzeichen am Ende des Beitrags auf Seite 34 zu finden.

Legendär der Beginn Deiner satirischen Tätigkeit, als Du Dich keineswegs über einen Abdruck Deiner Einsendung freutest, sondern Robert Gernhardt und Bernd Eilert dafür beschimpftest, dass sie minimale Änderungen an Deinem Text vorgenommen hatten. Das wurde als Bewerbungsschreiben zur Kenntnis genommen, und Du warst eingestellt. Unter Deiner Regentschaft begann die Blütezeit des Fotoromans, Manfred Deix, Walter Moers und Michael Sowa wurden ins Blatt gehievt, und manch einer erinnert sich noch mit Tränen in den Augen daran, wie er mal mit Dir eine Rudi-Carrell-Puppe vor dem iranischen Konsulat verbrannt hat.

Nach TITANIC hast Du viele, die ihr Glück weder fassen konnten noch verdient hatten, mit Spitzenwitzen versorgt und dem ersten deutschen Late-Night-Gastgeber Thomas Gottschalk humortechnisch auf die Sprünge geholfen. Und dass River Café, eine deutsche Talkshow, die live aus New York kam, nur drei Folgen erlebte, lag bestimmt nicht an Deinen Texten. Auf Spiegel online hieltest Du als ratloser Auslandskorrespondent E. Bewarzer Dein Kinn in die Kamera, und gemeinsam mit Tex Rubinowitz hast Du das Genre des Listenbuches vielleicht sogar erfunden, auf jeden Fall aber end- und mustergültig definiert, und zwar unter dem Titel: »Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen«. Und diese eine Geschichte, wo ein Psychiater in ein Möbelhaus geht, um eine neue Couch zu kaufen, und der Verkäufer probeliegen muss, wo stand die noch mal? Ach, in der TITANIC? Sollte eigentlich in jedem Lesebuch zu finden sein!

Uns ist natürlich bewusst, dass Du auch diesen Brief, wie so viele andere, lieber selber geschrieben und redigiert hättest – aber umständehalber mussten wir das diesmal leider selbst übernehmen.

In Liebe, Deine Titanic

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Unübliche Gentrifizierung

Zu Beginn war ich sehr irritiert, als mich der Vermieter kurz vor meinem Auszug aufforderte, die Bohr- und Dübellöcher in den Wänden auf keinen Fall zu füllen bzw. zu schließen. Erst recht, als er mich zusätzlich darum bat, weitere Löcher zu bohren. Spätestens, als ein paar Tage darauf Handwerkerinnen begannen, kiloweise Holzschnitzel und Tannenzapfen auf meinen Böden zu verteilen, wurde mir jedoch klar: Aus meiner Wohnung wird ein Insektenhotel!

Ronnie Zumbühl

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster