Inhalt der Printausgabe

Juli 2001


Humorkritik
(Seite 6 von 7)

Mein letztes Fuld-Wort

Hohes Gericht, ich zitiere: "Der dichtende Neurotiker Jakob Haringer, der von sich behauptete: »Ich bin und bleibe der größte Schriftsteller des Jahrhunderts«, ist den Nachweis seiner Größe leider schuldig geblieben. Seiner Mitwelt ging er mit unverlangt zugesandten Gedichten auf die Nerven. Er lebte von Spenden und starb mit den Worten: »Ich scheiß auf die Welt!«" Ich behaupte: Wer solches schreibt, ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Volltrottel. Allein Haringers Zweizeiler: "Wer zu blöd fürn ärgsten Mist / wird ein teutscher Saujurist" wiegt ganze Gesamtwerke zeit- und unzeitgenössischer Literaten auf. Haringer starb auch keineswegs mit den Worten "Ich scheiß auf die Welt". Sondern nachdem er sie ausgerufen hatte, ging er gemütlich nach Hause. Um dort allerdings zu sterben, ganz allein. Wir wissen daher nicht, was er während des Sterbens tatsächlich äußerte. Diese Schlamperei ist bei weitem nicht die einzige im "Lexikon der letzten Worte" (Eichborn), das "letzte Botschaften berühmter Männer und Frauen von Konrad Adenauer bis Emiliano Zapata" versammelt.
Deshalb hat der gute Haringer sich auch mit den Sau-Juristen im Irrtum befunden. "Wer zu blöd für ärgsten Mist" kann auch Werner Fuld werden. Bzw. schon sein. So heißt nämlich "der Autor und Literaturkritiker", der uns laut Klappentext gezeigt haben soll, daß "der Tod seine eigenen Gesetze" hat. Als ob man dazu Herrn Fuld benötigte! Ich habe hier schon seine beiden entsetzlich schlechten Büchlein mit zusammengeklaubten Dichteranekdoten abwehrend besprochen. Sein "Lexikon der Fälschungen" ließ ich aus, weil ich mir die Mühe ersparen wollte, den Inhalt mit den in meinen Buchbeständen vorhandenen Werken über Fälschungen zu vergleichen. Und nun das! Was für ein dummes Buch! Wie miserabel das Vorwort, das in gar keiner Weise der Problematik letzter Worte gerecht wird! Wie langweilig und sinnlos, eine alphabetische Anordnung vorzunehmen! Wie kenntnislos zusammengehauen die Informationshandreichungen über die Sterbenden! Nein, da stimmt es weder hinten noch vorne, und auch in der Mitte ist das meiste falsch, verzerrt oder auch bloß schlecht übersetzt. Fast auf jeder der 200 Seiten sind Fehler zu entdecken.
Ich greife nur ein Beispiel heraus, auf meinen Notizzetteln stehen Dutzende andere. Denis Diderot und seine Frau hatten bekanntlich kein gutes Verhältnis miteinander. "Als er auf dem Sterbebett lag, reichte sie ihm eine Aprikose, und er fragte entnervt: »Was zum Teufel denkst du, wird mir das nützen?«" So meint Fuld. Als letztes Wort des Philosophen wird sonst häufig zitiert: "Der erste Schritt auf dem Weg zur Philosophie ist der Unglauben." Laut einer religiös veranlagten Zusammenstellung letzter Worte hinwiederum soll der Arme auf dem Totenbett zuletzt ganz im Gegenteil sein Freidenkertum widerrufen haben. Oder hat er vielmehr seiner Frau zum Schluß einen "mißgelaunten Verweis" erteilt, als sie ihn daran hindern wollte, sich eine Aprikose zum Dessert zu nehmen und sich an ihrem Fruchtfleisch gütlich zu tun, wie Karl S. Guthke in seiner schönen Untersuchung über letzte Worte übermittelt? Herbert Nette erklärt in seiner Sammlung von Finalsentenzen mit dem Titel "Hier kann ich doch nicht bleiben" Diderots Wort vom Unglauben zu seinem vorletzten. Danach nun gar, "als seine Frau ihm Vorhaltungen machte, weil er einen Apricot trank", soll Diderot gesagt haben: "Aber was, zum Teufel, glaubst du, daß mir das jetzt noch schaden kann?"
Sollte ich, dessen immerstrebendes Bemühen so viel Segensreiches zeitigte, je das Zeitliche segnen, möchte ich es mir natürlich streng verbitten, in einer eventuellen Neuauflage dieses Machwerks mit meinen letzten Ergießungen vertreten zu sein. Und nun "vor der Hand nichts mehr von Tod!" (Goethe) Aber schon auch gar nichts mehr von Fuld!




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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
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