Briefe an die Leser | März 2010


Und, Kabarettisten!

Hat eigentlich schon einer von Euch erklärt, die Steuerpolitik der FDP sei von, haha, »bestechender« Logik? Nein? Dann wird’s aber langsam Zeit!
Eure Wortspielhöllenfürsten von

Titanic

»POPO Innenarchitektur« (Bremen),

wir ersparen uns mal alle unappetitlichen Wortwitze zum Thema, wie man gewisse rückwärtige Körperteile denn nun am besten einrichtet, und lassen auch beiseite, was Sie, nun ja, geritten haben mag, Ihrem Einrichtungshaus diesen Firmennamen zu geben – man könnte dahinter ja auch eine stilvolle Bezeichnung für eine Proktologie-Praxis vermuten. Aber trotzdem: So entnervt, wie Ihre Mitarbeiterin uns anschaute, als wir draußen das Ladenschild fotografierten, so sehr ahnen wir, wie demütigend es sein muß, in jedem vermaledeiten Krankenkassenformular bei »Arbeitsstelle« stets »Popo« einzutragen und sicherlich einmal am Tag gackernden Schülern die Frage zu beantworten, ob man denn auch Hämorrhoiden führe. Und was mögen erst die Kunden sagen? »Schatz, ich gehe gleich mal in den Popo und kaufe einen Stuhl«?
Oh shit, wir können es einfach nicht lassen…

Titanic

Hoppla, Jürgen Fliege!

»Ich habe ein halbes Jahr nur getrommelt, um herauszufinden, ob es Geister gibt«, verrieten Sie kürzlich bei Sandra Maischberger. Auf Ihrem Kopf hingegen wird man wohl ein ganzes Jahr herumtrommeln können – Geist gibt’s da bestimmt nicht.
Ihre Ghostbusters von

Titanic

Lafontaine!

»Statt arrogant, klein. Statt unfurchtsam, furchtsam. Statt fröhlich, melancholisch. Statt Bundestag, OP-Tisch. Statt Rotwein, Narkose.« Statt roter Haut, bleich; statt Puff, Krankenhaus; statt richtiger Grammatik, Nominalstil – geben Sie es zu, Lafontaine! Keine außereheliche Affäre, kein Krach an der Linken-Spitze und auch nicht der üble Zwickzwackkrebs kann ein gewichtigerer Grund gewesen sein, den Laden dichtzumachen, als das rasende Gefasel und das falsche Mitleid eines Franz Josef Wagner und seiner nur wenig alphabetisierteren Kollegen bei Bild, Spiegel, FAZ. Daß Sie diese Bagage endlich losgeworden sind, nach all den Jahren – das immerhin gönnen wir Ihnen von Herzen.
Statt Meckermecker, tschüß:

Titanic

Ach, Hulk, olle Kraftgurke,

es ist nicht leicht, als Superheld ausgemustert zu werden, aber immerhin: Sie haben die Kurve gekriegt und gehen nun einem ehrbaren Gewerbe nach. Viel Erfolg mit Ihrer Firma »HULK UMZÜGE, Berlin«! Und sollte es damit nicht klappen, können Sie ja immer noch bei den Grünen anheuern. Die suchen doch stets nach neuen Kräften.
Grüßchen:

Titanic

Und apropos, liebe Sprachnutzer!

Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf. Wenn wir Google glauben dürfen, dies aber neuerdings auch: Sex, Duschen, Reisen, Parteitage, Gespräche, Kochrezepte, Energie- oder Systemfragen, das Autojahr 2010, Frösche, Evolutionsbiologie, Statistiken, Rollenspiele, Charts, Symposien, Frankfurt-Höchst, Konklaven, Verkaufen, Grammatik, der Bologna-Prozeß, Kultur, Wasser, Staudenbeete, Klimaschutz, Sicherheitskonzepte, Leserbriefe, Spinnfischen am Neckar, die Entwicklung der Neuapostolischen Kirche, Bananen –
und das ist doch, liebe Sprachnutzer, Unsinn. Derlei ist doch viel eher geil, turbulent, informativ, überraschend, drängend, unwägbar, faszinierend, abwechslungsreich, anregend, interessant, schön und gut! Findet Ihr nicht?
Findet aber doch
Euer Komitee »Pro Vielfalt«, c/o

Titanic

Merkel!

Ob im Fall der Schweizer Steuerhinterziehungsdaten der Zweck die Mittel heilige, war für Sie als ergebnisorientierte Bundeskanzlerin keine Frage: »Vom Ziel her sollten wir, wenn diese Daten relevant sind, auch in den Besitz dieser Daten kommen« – kaum beschweren sich also neuerdings die Eierköpfe über das endemische, wohl von Ihrem Amtsvorgänger Schröder ins Deutsche geschraubte »von daher«, kommen Sie nun also gewissermaßen von der anderen, der teleologischen Seite.
Wir hoffen, daß das Schule macht; denn wenn wir nicht in spätestens sechs Monaten in der U-Bahn Gesprächen lauschen können wie »Vom Ziel her will ich nach dem Abi unbedingt BWL studieren.« – »Klingt spannend!«, dann, Merkel, ist vom Ziel her schon relevant enttäuscht:

Titanic

Liebe »Paracelsus Heilpraktikerschule« in Nürnberg,

vielen Dank für Deinen ausführlichen »Ausbildungs- und Seminarplan«, den Du uns unaufgefordert, aber doch sehr regelmäßig zukommen läßt. Obwohl die Beschreibung des Anfahrtsweges zu Deinen Räumen an Klarheit nicht zu übertreffen ist – »Die Schule (...) ist mit einer großen Boschreklame auf dem Dach gekennzeichnet« – und obwohl Du so attraktive Kurse wie etwa »Colonmassage« für läppische 70 Euro oder »Mit der Kraft der Engel heilen« für 120 Euro anbietest, kam uns spätestens beim Seminarthema »Schröpfen« (95 Euro) so ein Verdacht, worum es Dir eigentlich gehen könnte. Auf Anmeldung vorsichtshalber auch fürderhin verzichtend:

Titanic

Au weia, Helene Hegemann,

Du bist 17 und hast ein vielbeachtetes Buch kompiliert, »Axolotl Roadkill«, radikal, ungeschönt, sprachmächtig, fesselnd, ein 200-seitiger Poetry Slam, Sex, Gewalt, Kiffen, Berlin-Mitte, wahnsinnig schnell, liest sich wie im Rausch, innere Monologe, Stream of Consciousness, dramatische Versatzstücke, Handlungsfetzen, krasse Verelendungsschilderungen, bei Amazon gibt’s eine Leseprobe, auf sechs Seiten 17 Ableitungen von »scheiß-«, aber nur einmal »verfickt«, alles geklaut, trotzdem geil, Ausdruck einer neuen Generation, STOP!
Wir müssen dich, gute Helene, väterlich an das Prinzip der Überbietungslogik erinnern. Soll heißen: Irgendwann tritt ein 16jähriges Nachwuchstalent aufs literarische Tapet, mit noch hektischerer Syntax, einer noch höheren »Scheiße«/Seite-Frequenz und noch mehr zusammengemopsten Internet-Zitaten, und dann schert sich kein Wochenmagazin mehr um Dich, und Du wünschst Dir, Du hättest ganz normal Abitur gemacht. Oder es Dir wenigstens etwas geschickter zusammengespickt!
Besorgt:

Titanic

Hans Richard Edinger!

Sie sind Bildredakteur der Berliner Zeitung und wagen einen »Zwischenruf« zur Frage: »Wieviel Elend und Leid sollen die Medien nach dem Erdbeben in Haiti zeigen?« Als »ehemaliger Fotograf der Nachrichtenagentur Associated Press«, schreiben Sie da, seien Sie »den Anblick grausamer Bilder gewöhnt«, doch nach dem Erdbeben in Haiti sei »auf einmal ... das Grauen ›close up‹, also aus nächster Nähe ... auf die Monitore der angeschlossenen Redaktionen gejagt« worden. So weit, so schlecht. Doch statt es bei dieser traurigen Erkenntnis zu belassen, beginnen Sie nun, die nicht druckbaren Bilder einfach in Ihren Worten zu beschreiben: »Was empfindet wohl einer der Kollegen, wenn er sein Objektiv auf ein dreckiges und blutverkrustetes, dick geschwollenes Antlitz eines halbnackten Menschen (hin-)richtet, aus dem zweifellos das Leid eines Erstickungstodes spricht. Sind es die starren, in Todesqual weit aufgerissenen Augen, die ihn fesseln und somit mich in den Bann und die Leser zur Auflage ziehen sollen? Ist es dieser von unsagbarer Angst geweitete, letzte Blick eines Menschen, dessen Todesqual uns aus den steinernen Trümmern stumm entgegenschreit?«
Offenbar haben diese Fotos Sie schon sehr in den Bann gezogen, denn so detailverliebt geht es noch zwei Absätze weiter und gipfelt schließlich in der Frage: »Fragt sich eigentlich niemand mehr, ob auch er jemals so aufgeschichtet, aufgedunsen, fliegenübersät, nackt und schutzlos auf den Straßen liegend dem Voyeurismus der Berichterstatter in die Hände fallen möchte?« Und als wäre das alles noch nicht deutlich genug, drucken Sie zur Illustration gleich noch eines der besagten Bilder ab: ein Close-up-Foto, auf dem... – ach, beschreiben Sie es doch lieber selbst, Sie können das viel anschaulicher. Beim »Bastei«-Verlag werden Splatter-Autoren übrigens immer gesucht. Wie wär’s?

Titanic

Mahlzeit, »Drehscheibe Deutschland« (ZDF)!

Dich gibt es nun auch schon seit vielen Jahren, und notorische Spätaufsteher wie wir kommen nicht umhin, gelegentlich frühstückenderweise bei Dir vorbeizuschauen. Was uns dabei allerdings aufgefallen ist: Jede, aber auch jede einzelne gottverdammte Ausgabe von Dir beginnt mit einem Beitrag über Verkehrsunfälle. Was natürlich die Frage aufwirft: Warum? Sind denn Unfallberichte besonders kostengünstig zu produzieren? Weil die Effekte schon gratis mitgeliefert werden? Betreibst Du eine subtile Automobilkritik? Oder willst Du Deinen Zuschauern nur sagen: »Hey, seid froh, daß ihr gemütlich vorm Fernseher sitzen könnt, während sich da draußen die Leute gegenseitig kaputtfahren«?
Sag halt mal Bescheid, am besten Deiner katastrophenerprobten

Titanic

Und Sie, Enzensberger,

meckern jetzt also in Dankesreden bei Kulturpreisen stammtischironisch über den »Regelungswahn der Brüsseler Behörden«: »Wo kämen wir hin, wenn nicht europaweit immer genau dieselben Baustoffe verwendet würden und wenn unsere Bananen weniger als vierzehn Zentimeter lang wären!« Was kommt als nächstes? Eine Polemik gegen Hundehaufen auf dem Gehweg? Eine Invektive gegen laute Jugendliche? Eine Eloge aufs Parkbanksitzen?
Man läse es zumindest lieber.
Ihre Opaflüsterer von der

Titanic

Marcel Reich-Ranicki!

In der FAS sagten Sie, Sie glaubten »an die nützliche Verwertung von Filmen und vor allem von Romanen auf der Bühne«, denn: »Ich habe Tolstoi, Dostojewskij, Balzac, Flaubert, Jane Austen, Fontane, Thomas Mann und viele andere Autoren gesehen, die dankbar an ihre Bühnenfassungen dachten.« Daß Sie, Reich-Ranicki, zu wissen glauben, was die Damen und Herren Autoren so gedacht haben, das nehmen wir unseretwegen stumm zur Kenntnis – aber daß Sie Tolstoi, Flaubert und Jane Austen noch »gesehen« haben? Die immerhin 1910, 1880 bzw. 1817 verstorben sind? Andererseits: Man ist ja immer so uralt, wie man sich fühlt! Gell? Greise Grüße:

Titanic

Club Aldiana!

Daß Kultur, Wellness und Sonnenschein nicht die Dinge sind, um die es beim Cluburlaub in erster Linie geht, hatten wir schon sehr stark vermutet. So offen wie Du mit Deinem Slogan »Urlaub unter Freunden« hätten wir es freilich kaum auszuplaudern gewagt.
Deine Freunde auf der

Titanic

Michael Spreng!

Sie waren bis zu Ihrem Rausschmiß im Jahr 2000 Chefredakteur der Bild am Sonntag, dilettierten als Edmund Stoibers Wahlkampfmanager und haben als »selbstständiger Medien- und Kommunikationsberater« offenbar jede Menge Zeit – zum Beispiel für Ihr sehr einfallsreich »sprengsatz« betiteltes »Politik-Blog aus Berlin«. Dort nämlich beglücken Sie Ihre Leser unter anderem mit der »Anekdote der Woche«, welche Sie stets als so unbequemen Journalisten wie grundsympathischen Superchecker ausweist.
So erfahren wir von irrwitzigen Pannen (»Das beste Kohl-Interview habe ich übrigens in der Vorweihnachtszeit  1975 in Mainz geführt … Als ich nach Bonn zurückkam, stellte ich fest, daß das Tonband nicht funktioniert hatte«), rührenden Männerfreundschaften (»Per du bin ich noch mit Volker Rühe als Ergebnis einer feucht-fröhlichen Nacht beim Medienpreis in Baden-Baden, mit Laurenz Meyer seit unserer gemeinsamen Wahlkampfzeit 2002, sowie mit Ex-Kanzleramtsminister Friedrich Bohl und dem heutigen Verteidigungsminister Franz Josef Jung«), liebenswerten Lausbubenstreichen (»Herold liebte seine Computer geradezu und so forderte er mich bei einem Besuch im BKA auf, die Leistungsfähigkeit seiner Computer doch einmal auszuprobieren. Ich ließ die Namen zweier ehemaliger Schulfreunde eingeben, die schon zu meiner Schulzeit ganz linksaußen standen...«) oder auch Ihrem exzellenten Standing in der Medienwelt: »Als Edmund Stoiber mich zu seinem Wahlkampfmanager berief, telefonierte er am Vorabend der offiziellen Vorstellung mit Friede Springer … Als ich ihn fragte, wie Frau Springer auf seine Entscheidung reagiert habe, berichtete er mir, sie habe über mich gesagt: ›Guter Mann, aber schwierig‹. Ein schöneres Kompliment kann eine Verlegerin einem Journalisten kaum machen« – zumal, wenn sich dessen Output auf eitelste Ranschmeißereien an die Charaktermasken der Macht beschränkt, gell?
Es grüßen die guten, unkomplizierten Männer der

Titanic

Lotto Rheinland-Pfalz!

Als Co-Sponsor des SV Mainz 05 preist Du Dich selber von den Reklametafeln herab an, und zwar als »Partner aus Überzeugung«. Ach ja, wirklich? Heißt das, daß Dir massenträchtige PR eher weniger bedeutet? Spricht da also Dein soziales Herz, das die Förderung von jungen Talenten in den Vordergrund stellt? Und die Finanzen, wenn überhaupt, spielen nur eine untergeordnete Rolle? Bist Du gar ein Zentrum nonkonformistischen Denkens, das den ollen neoliberalen Brei für ganz ganz gefährlich hält? Gar eine verdeckte Denkfabrik, die die ersten Schritte zur Weltrevolution vorbereitet?
Na dann, auf zum letzten Gefecht:

Titanic

Huhu, Ron Wood!

Ihr Kampf gegen den Alkoholismus hat Sie also in die Londoner Reha-Klinik »The Priory« geführt, und Sie haben es dort wie lange ausgehalten? Genau eine Stunde! Und diesen Umstand hat »ein Freund« womit begründet? »Er hat sich für den kalten Entzug entschieden.«
Daß damit aber »on the rocks« gemeint ist, darauf schwört rollenden Stein und Bein:

Titanic

Oliver Bierhoff!

Schon klar, daß so ein mit allen Marketingwassern gewaschener Entscheidertyp und echter Top-Fußballmanager wie Sie sich nicht vorrangig über den sportlichen Erfolg definiert: »Wenn man auch einmal überlegt, was wir in den vergangenen sechs Jahren erreicht haben – nicht nur sportlich, sondern auch, was das Image der Nationalmannschaft betrifft: Die Image-Werte der DFB-Elf waren noch nie so gut wie jetzt«, verrieten Sie dem Manager-Magaz…, Quatsch, nein: »Eurosport«.
Aber, Bierhoff, alte Reizfigur, haben Sie schon mal überlegt, wie sich die Image-Werte der Nationalmannschaft noch signifikant steigern lassen? Wir hatten da an eine Neupositionierung der Marke Bierhoff im wahlweise osteuropäischen, südostasiatischen oder gerne auch südamerikanischen Raum gedacht.
Ihre Marketing-Koryphäen auf der

Titanic

Sie, Bettina Röhl,

sind unter der eindrucksvollen Versammlung von Vollpfosten, die da für die Welt den Bereich »Debatte« bestreiten, zweifelsfrei die Königin. Immerhin haben Sie es geschafft, eine veritable Journalistenlaufbahn mit nur einer einzigen Zahl zu bestreiten. Denn »der 68er-Mainstream hat das Land fest im Würgegriff«, vertreten durch die »68er-Renegaten« natürlich, aber gerade auch »durch die jüngeren Nachläufer, die oft nicht einmal zu wissen scheinen, daß das, was sie reden, ›68‹ ist, und die deswegen auch die geistig-moralisch-politischen Alternativen zum Kosmos 68 nicht erkennen und solche gar für unmöglich erachten«; selbstverständlich auch durch die »medialen 68er-Oligarchen«, die sich sozusagen nur in eine schwarz-gelbe Mimikry begeben haben und damit die aktuelle Regierung an die Macht brachten: »Das müssen Merkel und Westerwelle offenbar noch erst schmerzhaft erkennen, daß sie nicht aus eigener Kraft an die Macht gelangt sind, sondern wegen eines konservativen Intermezzos des nach wie vor unumstritten herrschenden 68er-Mainstreams, der sich jeden Tag chamäleonartig weiter entwickelt.« Was besonders bemerkenswert auch deshalb ist, weil genau jenes 68er-Lager also, das erst Rotgrün und jetzt Schwarzgelb an die Macht brachte, »niemals wirklich mehrheitsfähig war, aber dennoch politische Mehrheiten mit medialer Macht organisieren konnte«. Und so auch den armen Guido Westerwelle »mit seiner politischen Korrektheit« steuert, der »ein stromlinienförmig mitschwimmender 68er durch und durch« ist, obwohl ihm womöglich gar nicht klar ist, daß »der Mainstream ein pop-linker Post-68er-Mainstream ist« usw. usf.
Wir chamäleonartigen pop-linken Post-68er-Mainstreamer aber möchten, nachdem wir ja gerade erfolgreich die Regierung ausgewechselt haben und deshalb kurz mal Zeit haben, auch Ihnen ein kleines Intermezzo gönnen und Ihnen ermöglichen, ein einziges Mal etwas Zutreffendes von sich zu geben. Also: Wieviel ist 100 minus 32? Na? Also!
Überhaupt keine Ursache:

Titanic

Sag mal, Weltgeist,

nach den kürzlich bekannt gewordenen Mißbrauchsfällen am jesuitischen Canisius-Kolleg in den siebziger Jahren hast Du einen der beiden beschuldigten Geistlichen seine Karriere an einem Kolleg in Sankt Blasien fortsetzen lassen. Soweit unwidersprochen solide Arbeit. Den zweiten jedoch zur weiteren Jugendpflege nach Göttingen zu versetzen spricht nicht gerade für übermäßige Einsatzfreude. War denn in Hinterzarten keine Stelle mehr frei?
Fragt mal vorsichtig:

Titanic

Ach, und übrigens, Bahn,

passierte es im unerwarteten Schneechaos der letzten Monate oft, daß Deinen Zügen plötzlich Waggons fehlten. Mal fehlte Waggon Nummer 13, mal Nummer 23, dann plötzlich die 7 oder die 5. Nun ist so ein Waggon ja auch nur ein Mensch, und wie oft verlieren oder vergessen Menschen irgendwelche Dinge! Solltest Du, werte Bahn, aber auf die Idee kommen, all die Dir abhanden gekommenen Waggons einmal suchen zu wollen, dann reichen wir Dir gerne einen Tip weiter. Er stammt vom Zugchef des ICE, der am 31. Januar von Hamburg-Altona nach Stuttgart fuhr und uns per Durchsage wissen ließ: »Unser Zug verkehrt heute ohne Wagen sechs. Wagen sechs ist uns leider in Eidelstedt abhanden gekommen.« Also los: Such in Eidelstedt, liebe Bahn! Und wenn die Waggons dort nicht stehen – vielleicht gibt’s ja irgendwo in Eidelstedt ein schwarzes Loch, das direkt zum Bermudadreieck führt. Moin moin:

Titanic

Und was, Herr General a.D. Naumann,

werfen Sie da in der Süddeutschen der kriegsskeptischen Frau Käßmann vor? »Sie zeigt den gläubigen Soldaten keine Alternative auf, sondern speist die Mitglieder der Truppe mit einer Worthülse ohne Substanz ab.« Aber Herr General! Ohne für das bigotte Bibelhuhn eine Lanze brechen zu wollen: Macht sie da nicht einfach nur ihren Job? Für die Substanz sind doch Sie und die übrigen Herren von der Generalität zuständig: »Alle Mann an die Waffen uuuuund: Feuer!« Also: Wälzen Sie das nicht auf andere ab.
Rühren:

Titanic

Hans-Ulrich Jörges!

Wie wir dem Stern entnommen haben, machen Sie sich Sorgen um die Zukunft des Fernsehkonzerns ProSiebenSat.1 Media AG, den sie von ausländischen »Heuschrecken« bedroht sehen. Und deshalb haben Sie ein Machtwort gesprochen: »Publizistische Verantwortung und Leidenschaft sind nun gefragt, Interesse am Medium Fernsehen. In Deutschland gibt es nur eine Adresse, die ProSiebenSat.1 auffangen könnte – und hoffentlich noch will: der Axel Springer Verlag.« Denn man weiß ja, daß publizistische Verantwortung das A und O für Springers Angestellte ist, und sei es die Verantwortung für den Tod des einen oder anderen Opfers Ihrer Berichterstattung, nicht wahr, Herr Jörges?
Als Medienpolitiker sind Sie jedenfalls die Wucht in Tüten: »Springer sollte einen neuen Anlauf unternehmen, rasch. Und die Berliner Koalition sollte ihn politisch absichern, durch eine Ministererlaubnis, und sei es unter strengen Auflagen, um die Einwände von Kartellamt und Medienaufsicht zu umgehen. Gefordert wäre Rainer Brüderle, der Wirtschaftsminister. Er brauchte Mut. Die Heuschreckenplage aber lieferte ihm die besten Argumente.« Und zwar frei Haus aus der Stern-Chefredaktion. Wenn Sie so weitermachen, Herr Jörges, dann besorgen wir uns die Ministererlaubnis für ein Entmündigungsverfahren.
Unser Interesse am Medium Jörges wäre damit aber fürs erste befriedigt.

Titanic

Aber daß Du, Bahn,

Dich nach all der Kritik jetzt scheint’s aus dem Kerngeschäft zurückziehst und es im investigativen Journalismus versuchst: »Sehr geehrter Herr ***, wir haben zum Thema ›Mobilität‹ recherchiert und dabei für Sie Brisantes gefunden: Ihre BahnCard 50 läuft aus«, nein, das klingt uns nicht nach zweiter Karriere. Denn Du weißt ja: Nichts ist so alt wie die mit mehrstündiger Verspätung eingetroffene Nachricht von vorgestern! Brisant-kollegiale Grüße:

Titanic

Können Sie, Cemal San,

uns vielleicht verraten, wer für die bei »Kanal D Homevideo« erschienene DVD Ihres Films »Zeynep’in Sekiz Günü« die tollen deutschen Untertitel fabriziert hat? Denn wenn ein Mann einer Frau nach einer gemeinsam verbrachten Nacht eine Abschiedsnotiz auf dem Nachttisch hinterläßt, dann behilft er sich im Deutschen eher selten mit Sätzen wie »Ich küsse von Deinen obszönen Plaetzen«. Und das ist schade, denn irgendwie klingt das verdammt poetisch. Küßt entflammt zurück:

Titanic

Na, Diekmann?

Blog beendet? Zurück im Tagesgeschäft? Samt »intelligenter Agitation, Witz und Ironie«, mittels deren Sie sich laut Jörg Thomann (FAS) »neu erfunden« haben, »und Bild ein bißchen mit«? Hört sich ganz so an: »Betrugsrekord mit 165000 Fällen – So wird bei Hartz IV abgezockt« (Bild, 3.2.), ja, so klingt der neue Diekmann, der »an Pippi Langstrumpf erinnert: lustig, frech und scheinbar harmlos, doch tatsächlich das stärkste Mädchen der Welt« (FAS).
Und das, wir erinnern uns, war ja immer schlecht in Plutimikation: »Wo immer es um Geld geht, wird betrogen. Nach der Bilanz der Nürnberger Behörde scheinen dies die Hartz-IV-Empfänger kaum zu tun. Die Mißbrauchsquote liegt offiziell unter zwei Prozent« (Süddeutsche Zeitung) – und wenn wir, Kai, altes Arschgesicht, uns den Glückwünschen der Großpresse da anschließen dürfen: Intelligenter als Sie hat Goebbels auch nicht agitiert. Denn wo immer es um Geld geht, na, Sie wissen’s eh.
Lustig, frech und scheinbar harmlos grüßt

Titanic

Eine, Uli Hoeneß,

»Fehlentscheidung« sei es gewesen, »eine der größten« gar, die Fußball-WM der Herren 2010 nach Südafrika zu vergeben, teilten Sie bei einem Empfang im Münchener Rathaus der Weltöffentlichkeit mit: »Ich war nie ein großer Freund einer WM in Südafrika oder überhaupt auf dem afrikanischen Kontinent, solange Sicherheitsaspekte nicht zu 100 Prozent geklärt sind.« Denn Schwarze und Sicherheit – wie soll das auch gehen? Wie gut, daß Sie statt dessen optimistisch in die Zukunft schauen: »Wir sind daran interessiert, daß die Spiele nach München kommen. Ich glaube – das hat man bei den Sommerspielen von 1972 gesehen – der Stadt stünden Olympische Winterspiele extrem gut zu Gesicht.« Richtig, Hoeneß! Olympische Spiele in München – das zeigten die Sommerspiele von 1972 – werden ja weltweit geradezu als Synonym für zu 100 Prozent geklärte Sicherheitsaspekte verstanden, gelle?
The games must go on:

Titanic

Jürgen Rüttgers!

Als frischgebackener »Ordensritter wider den tierischen Ernst« bedankten Sie sich bei den Jecken des Aachener Karnevalsvereins mit einer Büttenrede, die auf dem Running Gag beruhte, daß man Ihnen bei der Ausübung Ihrer karnevalistischen Amtspflichten als NRW-Ministerpräsident, egal um welche Tages- oder Nachtzeit und quasi stündlich, Pils und Frikadellen anbieten würde. Als sich einige Nörgler beschwerten, sie hätten diese Rede in den vergangenen Jahren bereits des öfteren zu hören bekommen, ließen Sie Ihre Staatskanzlei trutzig dagegenhalten, es sei »nicht unüblich, gelungene Passagen aus früheren Vorträgen neu zu verwenden. Wichtig ist, daß die Menschen Freude am Auftritt haben.« Und damit, Rüttgers, haben Sie durchaus Erfahrung! Denn Ihre »Rumänen-sind-arbeitsscheues-Gesindel«-Rede haben Sie im letzten Bundestagswahlkampf ja auch überall wiederholt, wo es geboten schien, dem rechtsradikalen Affen Zucker zu geben (Duisburg, Münster usw.), und sie ist immer wieder bombig angekommen, nicht wahr? Wichtig ist schließlich nur, daß die nordrhein-westfälischen Menschen Freude am Auftritt haben – Freude daran, daß die Rumänen und übrigen faulen Neger sich anständig ärgern und wieder wissen, wo der Hammer hängt. Nicht umsonst wird der Orden des Aachener Karnevalsvereins »für Humor und Menschlichkeit im Amt« vergeben. Wie tobte der Saal in Aachen nach Ihrer Rede? »Zugabe! Zugabe!«
Schon wahnsinnig gespannt auf die wiederaufgebratenen verschimmelten Rüttgersfrikadellen im NRW-Wahlkampf:

Titanic

Sie dagegen, Dirk Schemmer,

sind Immobilienmakler und haben sich als erster im Raum Freiburg zertifizieren lassen, Ihren Worten zufolge ein »hervorragendes und vor allem unabhängiges ›Gütesiegel‹ für die Qualität« Ihrer Arbeit – denn die »Zertifizierung dokumentiert meine Fachkenntnis sowie meine soziale und persönliche Kompetenz«. Ach, Schemmer! Hätten Sie einen Beruf, möchte, was Sie anführen, hingehen. Als Makler müssen Sie lediglich entschlossen sein, Mietern und Wohnraumkäufern soviel wie möglich an »Courtage«, »Gebühr« oder »Provision« wegzunehmen. Wird allzuviel »Gütesiegel« diese charakterliche Stärke nicht mindern? Sorgt sich:

Titanic

Liebe Medien,

Eure Begeisterung für die Rettung von Menschenleben und die auflagensteigernde Wirkung von Naturkatastrophen in allen Ehren, aber paßt nur auf, daß Euch Eure Überschwenglichkeit nicht noch in Bedrängnis bringt. Drei Tage nach dem Erdbeben in Haiti beschert der Überlebende Paul Derlice der Berliner Morgenpost »Ein Wunder mitten in der Katastrophe«. Als nach fünf Tagen wieder vier Menschen aus den Trümmern gerettet werden, ruft »Euronews« verzückt »Das Wunder von Haiti« aus. Überglücklich findet nach sieben Tagen schließlich selbst die Süddeutsche »Ein Wunder in den Trümmern«. So daß der 23jährige Wismond, der ganze elf Tage verschüttet war, für bild.de denn auch lediglich schon »Wieder ein Wunder« ist, die Kollegen von »n-tv« hingegen ihre Wunder chronologisch zu sortieren beginnen und Wismonds Schicksal kurzerhand zum »Wunder am elften Tag« degradieren.
Abgesehen davon, daß das wahre Wunder doch darin bestand, daß trotz internationaler »Soforthilfe« nicht einmal die Speisung der Fünftausend richtig zu funktionieren schien – was werdet Ihr denn nun titeln, wenn ein findiger Messias Wasser in Wein verwandelt, die nächste Auferstehung ansteht oder Deutschland einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen kann?
Über »Das Mega-Wunder« oder »Das Jahrtausend-Wunder« wäre jedenfalls kein bißchen verwundert:

Titanic

Helmut Markwort!

Zu Ihrem Abgang als Chefredakteur des Focus fragte die FAZ Sie, ob Sie denn »zagend« gingen, also irgendwie unentschlossen oder um die Zukunft bangend, worauf Sie antworteten: »Der Focus ist und bleibt mein Baby, auch wenn ihn andere wickeln. Er ist ja auch längst erwachsen geworden.« Mensch, Markwort, alter Faktenhuber! Wissen Sie denn auch, wie man Erwachsene nennt, die noch gewickelt werden müssen? Inkontinent.
Und viel besser hätte Ihr »Baby« auch nicht charakterisieren können:

Titanic

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt