Briefe an die Leser | Dezember 2009


Liebe Redakteure vom »Keyboard«-Magazin!

Ihr seid also auf Seite 84 »vom Atem beraubt«? Ts. Da können wir nur rufen: Haltet den Dieb an!
Hüstel –

Titanic

Aber was, »Nido«,

ist eigentlich mit Dir los? Eigentlich bist Du doch das hippe Familienmagazin für Neon-Leser, die aus Versehen Eltern geworden sind. Willst Du Deinen Leserkreis jetzt erweitern? Oder wie soll man Deinen auf dem Cover angekündigten Artikel »Fremdgehen: Warum so viele Affären auf dem Kinderspielplatz beginnen« verstehen?
Kinderlieb:

Titanic

Andererseits, Peter Hahne!

Ihr Satz aus der BamS: »Es darf nicht sein, daß Kinder als lukrative Finanzquelle für Schnaps und Glotze herhalten« – ist der nicht, je nun, ein bißchen gefährlich? Für Sie und Ihre zahlreichen Sendungen in besagter Glotze? Die ohne Schnaps doch längst nicht mehr zu ertragen sind? Ganz nebenbei: Ausgerechnet mit dem Satz »Es darf nicht sein, daß das Fernsehen als lukrative Finanzquelle für Schnaps und Kinder herhält« haben wir neulich beim Fernsehrat Ihre, Hahne, Verrentung beantragt. Ein lustiger Zufall, nicht wahr?
Ihre nüchternen Betrachter auf der

Titanic

Du wiederum, BMW Group,

gelobst, nicht aufzugeben, »bis auch das letzte Gramm Müll wiederverwertet ist« – wie dürfen wir uns das vorstellen? Bastelst Du in Zukunft Autos aus Konservenbüchsen und ausrangierten Polstermöbeln, in denen alte Teebeutel statt Wunderbäumen an den Rückspiegeln aus ausgedienten Aliberts hängen? Oder sprichst Du eher von Deinen PR-Bemühungen?
Deine alte Müllverwerterin

Titanic

Und auch Du, »Bild am Sonntag«,

hast anläßlich einer Fernsehdokumentation über Stasi-Spione im Springer-Verlag noch mal eine Extraportion Doppelmoralin ausgeschüttet (»Schatten zeigen keine Scham«) – daß aber ein Verleger, der sein vieles Geld in der Hauptsache mit Verletzungen der Menschenwürde verdiente, der nicht nur in die Privatsphäre seiner Opfer eindrang, sondern sie auch noch ans grelle Licht der Öffentlichkeit zerrte, daß also ausgerechnet Axel Cäsar Springer sich auch einmal fast wie ein Opfer seiner Bild-Zeitung fühlen durfte – das hat uns dann doch ziemlich gut gefallen!
Dein schamloser Schatten

Titanic

Bild.de!

Über die Stasi-Vergangenheit von Kerstin Kaiser, Fraktionsvorsitzende der Linken in Brandenburg, wußtest Du gewohnt sachlich und unaufgeregt zu berichten: »Sex und Verrat – Kaisers Schnüffeleien gingen bis in den Intimbereich!« Schnüffeleien bis in den Intimbereich? Abscheulich! Schwerer wiegt da eigentlich nur dieses fehlende Gespür für knackige Formulierungen: »Auch eine Dozentin schwärzte sie an. Sie habe ›engste private Beziehungen‹ zu einer französischen Studentin gepflegt« – »engste private Beziehungen«, was für ein verdruckster Stasi-Schnüffelschwein-Jargon; denn wie klingt so was, wenn Du als Sturmgeschütz der Demokratie im freiheitlichen Einheitsdeutschland Deinen investigativen Pflichten nachkommst? Doch wohl eher so: »Sex-Lehrerin mißbrauchte halbes Baseball-Schulteam« bzw. »Schöne Sex-Lehrerin Debra muß doch nicht in den Knast« – und deswegen bist Du ja auch Siegerin der Geschichte, nicht wahr.
Mit Sehnsucht nach dem Neuen Deutschland:

Titanic

Kerner!

Ihr Gesicht hängt schon wieder in der Fußgängerzone rum. Genauso groß wie sonst, genauso bunt wie sonst und mit demselben Kerner-Grinsen wie sonst. Wir wissen aber nicht, wofür es jetzt schon wieder wirbt: für Geflügelwurst, wie sonst? Für muffiges Leitungswasser, wie sonst? Für einen Billigflieger mit zweifelhaften Geschäftspraktiken, wie sonst? Oder für Zahnpasta, Kontaktlinsen, Organspende  oder prophylaktische Hämorrhoidenverödung? Wissen wir nicht und wollen wir auch nicht wissen, denn wir sind beim Schreiend-auf-die-andere-Straßenseite-Rennen beinahe von einem Auto überrollt worden. Wie sonst. Ach, Sie haben eine neue Sendung? Und die heißt Kerner – wie sonst? Und da sitzt Mario Barth drin rum – wie sonst? Dann wünschen wir Ihnen weiterhin alles Schlechte. Wie sonst!

Titanic

Und hey, Wirtschaftsminister Brüderle!

Haben wir das eben mit unseren schlafverklebten Ohren richtig gehört? Waren das tatsächlich Sie, der sich da frühmorgens in unserem Autoradio zu einer engagierten Rede zugunsten des Keynesianismus aufschwang, derzufolge der Staat in Krisenzeiten wie diesen geradezu die Pflicht habe, großzügig Schulden aufzunehmen und kräftig zu investieren, um die darniederliegende Wirtschaft anzukurbeln – einer Wirtschaftstheorie also, die seit mehr als 30 Jahren von Scheißliberalen wie Ihnen bis aufs Blut bekämpft und beinahe ausgerottet worden ist?
Das, Brüderle, wäre dann aber nicht mehr die gute alte FDP, wie wir sie kannten und extra nicht gewählt haben! Und so fragen wir besorgt: Wird man etwa so, wenn einen die Macht korrumpiert? Und wenn ja: Sollen denn dann die freiheitlichen Ideale von gestern gar nichts mehr gelten? Und wenn nein: Wann gehen Sie endlich die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien an?
Verwirrt bis begeistert:

Titanic

Peter Sloterdijk!

Unter dem etwas abgeschmackten Titel »Plädoyer für die Freiheit« sprangen Sie in dem endgültigen Aufschneidermagazin Cicero für Sarrazins Thilo in die Bresche: Demnach hat sich die »deutsche Meinungsbesitzer-Szene in einen Käfig voller Feiglinge verwandelt, die gegen jede Abweichung von den Käfigstandards keifen und hetzen«. Aha. Doch wie kommen diese famosen Abweichungen denn zustande? Indem man billige Reflexe mit umständlichen Metaphern bedient? Sich in Endlich-sagt’s-mal-einer-Attitüde übt? So gesehen, Sloterdijk, sitzt der einzige Käfig weit und breit, aus dem unschöne Laute klingen, zwischen Ihren Schultern!
Standardisierte Grüße:

Titanic

Schätzungsweise richtig ist, Marc Hofstetter Gascon, c/o Universität Bogota,

daß »jedes Währungssystem auf einem seriösen institutionellen Fundament und einer anerkannten Strategie basieren« muß. Kritisch kommentiert haben Sie damit aber die Idee mehrerer lateinamerikanischer Staaten, den Dollar durch ein Einheitsgeld namens Sucre zu ersetzen. Und wie seriös das institutionelle Fundament des Dollars ist, das – na, Sie wissen schon!
Oder wissen Sie nicht?
Mit strategisch anerkannten Grüßen von der Basis:

Titanic

Und übrigens, »Cicero«!

Daß Du als rechtes Schlaublatt am Hitler-Widerstand v.a. Stauffenberg et al. schätzt, mithin den Nationalsozialismus mit rechtskonservativem Antlitz, ist bekannt. Nichtadelige Proleten wie Georg Elser, der vor genau 70 Jahren einen Anschlag auf den Führer probiert hat, haben von Dir eher Spott zu erwarten. Aber, Cicero, ganz ehrlich: »Hitler-Attentat 1939: Der tapfere Schreiner Georg Elser« – wäre das nicht noch eine Spur herablassender, einen Tick mokanter gegangen? »Das tapfere Schreinerlein: Wie ein kleiner Handwerker einmal sieben Nazis auf einen Streich erschlagen wollte«?
Fragt sich und Dich:

Titanic

Jetzt.de!

Als Auffangbecken für alle, denen Neon noch zu intelligent ist, sind bei Dir regelmäßig inhaltsarme Klickstrecken zu besichtigen, darunter »20 Dinge, für die man zwischen 15 und 20 leider besonders anfällig ist«. Zu denen zähltest Du natürlich nicht nur den »Kommunismus«, sondern auch: »Eine Band gründen. Oder ein Kunst-Projekt. Oder eine Zeitung. Oder eine Theatergruppe. Oder eine Widerstandbewegung. Irgendwas jedenfalls, dass (sic) einen in Ruhe in abgewrackten Kellerabteilen rumhängen läßt.« Natürlich ist uns klar, daß Euch Langweilern von jetzt.de Aktivität an sich schon als verwegenes Konzept erscheinen mag – deshalb bekommt Ihr Eure nächste Strecke »3 Dinge, für die ausgebrannte Thirtysomethings im Jugendjournalismus leider besonders anfällig sind« frei Haus und völlig anstrengungslos: »1. Stil- und Rechtschreibschwäche, 2. extrem herablassend auf die Generation herabblicken, für die sie doch eigentlich schreiben, 3. ein unergründlicher Haß auf Keller.«
So, und jetzt bitte weiterschlafen.

Titanic

Juten Tach, Wolfgang Joop!

Das hätten wir uns nicht träumen lassen, aber auf Ihre alten Tage entdecken wir tatsächlich noch Gemeinsamkeiten: Bei irgendeiner Präsentation irgendeines Ihrer Bücher engagierten Sie eine Vorleserin, weil Sie »es hassen«, aus Ihren Büchern vorzulesen. Das können wir sehr gut verstehen. Uns ginge es nämlich ähnlich; sogar selbst lesen wäre uns schon zuviel!
Weshalb wir es auch nicht tun. Schön, daß wir uns da einig sind!
Bussi:

Titanic

Felicitas von Lovenberg!

»Sehr schön«, so urteilen Sie als Literaturkritikerin der FAZ, seien die gesammelten Sprüche der Kolumnistin Katja Kessler, der Sie sogar ein »Talent zum Aphorismus« bescheinigen, und zum Beweis führen Sie u.a. die folgenden Katja-Kessler-Zitate an: »Seitdem ich Söhne habe, weiß ich, wo Männer ihr Problem haben. Natürlich da, wo Frauen das vermuten. Aber auch noch eine Etage höher.« Und: »Zugegeben: ich bin eine Mischung aus Bequem-Tier und Hauruck-Hausfrau.«
Sagen Sie mal, Frau von Lovenberg, ganz im Vertrauen: Haben Sie noch alle Tassen im Schrank? Oder sind Sie vielleicht selbst nur eine Mischung aus Bequem-Tier und Hauruck-Feuilletonistin? Tollkühnerweise führen Sie zu Katja Kesslers Gunsten überdies das Argument ins Treffen, daß sie gemeinsam mit dem Bild-Herausgeber Kai Diekmann »vier zuckersüße (meistens jedenfalls) Sprößlinge« in die Welt gesetzt habe, nämlich – bitte anschnallen! – »Yella, Caspi, Kolja und Lilly« …
O Gott. Die armen Kinder. Wäre das alles nicht doch eher ein Fall fürs Jugendamt als für die Beletage der Literaturkritik? Fragt sich und Sie Ihre essigsaure (meistens jedenfalls)

Titanic

Selbst schuld, Heinrich Boere!

Als SS-Mann haben Sie drei »antideutsch eingestellte« Niederländer hingerichtet und stehen dafür nun endlich vor einem deutschen Gericht. Denn jedermann weiß doch, daß es von diesen antideutsch eingestellten Niederländern rund 16,5 Millionen gibt; und da machen sich Ihre popligen drei Getöteten halt verhältnismäßig erbärmlich.
Und Nachlässigkeit verzeiht das Vaterland nicht!

Titanic

Wie schwer und schrecklich, Bundeswehrsoldaten in Afghanistan,

Euer Einsatz ist, wurden wir erst in Gänze gewahr, als wir die ZDF-Sendung »Das will ich wissen!« sahen;  in welcher nämlich der Moderator eine Bundeswehrköchin zum Thema »Gulaschkanone« frug, ob diese heutzutage »Mobile Feldküche« genannten Geräte noch z.B. in Afghanistan im Einsatz seien. Die Antwort: »Nur im Notfalle. Wenn das Catering ausfällt.«
Wahrhaftig! Träte ein solcher Notfall ein – man müßte endgültig und ein für allemal von Krieg sprechen, nicht wahr?
Eure Freunde gepflegten Caterings von der

Titanic

Hans Magnus Enzensberger!

Kürzlich ist uns eines Ihrer neueren Gedichte vor Augen gekommen, in dem Sie Ihr lyrisches Ich mehr oder weniger verschmitzt die eigenen »Unterlassungssünden« beklagen lassen: »Vergessen zu beichten, / davor zurückgeschreckt, / die Welt zu verbessern, / nie rechtzeitig ein- und ausgestiegen…« Falls Sie sich damit selbst porträtieren wollten, können wir Ihnen versichern, daß Sie sich außerordentlich schlecht getroffen haben, denn im Jahre 1968 wollten Sie die Welt durch eine Revolution verbessern (»Die Verfassung ist ein Versprechen, das die herrschende Klasse weder halten kann noch halten will. Nur die Revolution kann es einlösen«), und seither sind Sie sowohl beim Einsteigen in jeden neumodischen Zug der Zeit als auch beim rechtzeitigen Aussteigen stets ein geradezu überpünktlicher Fahrgast gewesen.
Das aber haben Sie natürlich zu beichten vergessen.

Titanic

Silvana Koch-Mehrin!

Der baden-württembergische Ministerpräsident will EU-Kommissar werden, aber Sie sind skeptisch: Oettinger müsse noch beweisen, daß er ein »überzeugter Europäer« sei.
Bon; aber wie genau beweist man das? Indem man auf Wahlplakaten präsenter ist als im Europäischen Parlament? Indem man eidesstattlich versichert, die eigene Anwesenheitsquote im Parlament liege bei 75 Prozent, während das Parlament nur 67 Prozent angibt? Indem man sich in Brüssel den Ruf erwirbt, nicht gerade »ein fleißiges Bienchen« zu sein, und erst im letzten Wahlgang zur Parlamentsvizepräsidentin gewählt wird – und dies auch nur, weil die Alternative schwulenfeindlich und rechtsradikal gewesen wäre? Oder indem man den eher osteuropainteressierten Lesern der Praline die EU erklärt?
Wahrscheinlich haben Sie, Koch-Mehrin, recht – der Oettinger hat in Brüssel nichts verloren!
Ihre überzeugten Weltbürger auf der

Titanic

Hans Küng!

Als Kirchenkritiker gehören Sie ja schon förmlich seit dem Pleistozän zur A-Liga der leistungsstärksten Labertaschen, doch mit 81 Jahren denken auch Sie nun allmählich ans Aufhören, wie wir dem Stern entnehmen. Dem haben Sie nämlich gesagt: »Ich bin neugierig, was im Jenseits sein wird. Ich glaube nicht an diese simplen Himmelsdarstellungen, daß man auf einem goldenen Stühlchen sitzt und ›Halleluja‹ singt.« Im Himmel würden Sie lieber Menschen begegnen: »Mozart allerdings würde ich Willy Brandt vorziehen.«
Soso. Sie erwarten also vom lieben Gott, daß er Sie im Himmel schnurstracks in die VIP-Lounge der Weltberühmtheiten führt. Aber glauben Sie denn wirklich, daß Wolfgang Amadeus Mozart Ihnen dort geduldig sein Ohr leihen wird? Wir halten es für wahrscheinlicher, daß er blitzartig Reißaus nimmt, sobald er einen Riesenlangweiler wie Sie am Horizont auftauchen sieht. Und wo wir hier gerade bei den letzten Fragen sind: Woher nehmen Sie die Sicherheit der Überzeugung, in den Himmel und nicht in die Hölle zu kommen? Wir glauben zwar nicht an die simplen Höllendarstellungen, in denen eitle Kirchenkritiker auf einer heißen Herdplatte sitzen und sich bis in alle Ewigkeit ihre eigenen Interviews anhören müssen, aber der Gedanke daran ist doch ungemein reizvoll und auch viel, viel schöner als die Vorstellung, daß Sie im Himmel den seligen Mozart und andere teure Verblichene zutexten dürften.
Wenn jedoch im Himmel tatsächlich Platz für Ihre große Klappe sein sollte, würden wir unsererseits die Hölle vorziehen.

Titanic

So alt, Fußball-Bayern,

saht Ihr in der Champions-League lt. Internet also aus: »Nach Paß von Schweinsteiger vergab der einstige 100-Prozent-Knipser Luca Toni (47) freistehend die Möglichkeit zum Ausgleich. Kurze Zeit später wurde van Bommel (53) nach Paß von Robben im letzten Moment von Ciani geblockt. Robben (62) selbst und der kurz zuvor eingewechselte…«
Oder haben wir da die Punkte hinter den Zahlen übersehen? Haha!
Guckt nächstes Mal ganz genau weg:

Titanic

Literaturpreisliste!

Schulze hat schon Literaturpreise, Schmidt kriegt den Deutschen Buchpreis, Müller gar den Nobelpreis für Literatur. Jetzt fehlen eigentlich nur noch Meier und Lehmann!
In Erwartung:

Titanic

In Ihrem, Matthias Rüb (»FAZ«),

Artikel über den Kampf des Weißen Hauses mit dem amerikanischen Nachrichtensender Fox kritisierten Sie den Boykott des Nachrichtensenders durch die Regierung Obama, an der Fox kein gutes Haar läßt, ja: Der Sender organisiert sogar eine rechtsextremistische Oppositionsbewegung und stänkert und hetzt in einem fort, zuletzt mit der Frage, ob Obama denn tatsächlich in den USA geboren oder nicht eher insgeheim ein islamofaschistischer Sozialist sei, der die Nation Stück für Stück zerstören möchte.
Da drängt sich geradezu die Frage auf, weshalb Sie mit solchem Nachdruck ein Medium verteidigen, das mit seinen rechtskonservativen Ansichten und seiner publizistischen Macht seit vielen Jahren den öffentlichen Diskurs beherrscht, ja korrumpiert und eine spätestens seit einem Jahr gescheiterte Ideologie möglichst lautstark am Leben zu halten versucht – wie? Quasi Verwandtschaft? Und alles pro domo?
Dachte sich schon:

Titanic

Wolfgang Fierek!

Sie als Top-Schauspieler, Volkssänger (»Resi, i hol di mit mei’m Traktor ab«) und Sioux-Ehrenindianer waren zugegen, als der ebenfalls indianeraffine und auch insgesamt ca. gleich erfolgreiche Kevin Costner neulich in einem Münchener Möbelhaus auftrat. Der Kevin, gaben Sie zu Protokoll, sei ein angenehmer Mensch, »unwahrscheinlich down to earth«; wie überhaupt das Möbelhaus-Klischee Schwachsinn und von gestern sei: »Stars treten überall auf. Als ›Resi‹ der totale Hit war, bin ich auch in ein, zwei Möbelhäusern aufgetreten.« Und haben den folgenden Karriereschub ja auch bestens verdaut!
Auf bald im Baumarkt:

Titanic

Kimberly Hoppe!

Nicht genug damit, daß Sie als quakende Kaltlocke die Abendzeitung mit Münchner Promischmarrn vollgrunzen; als »Leute-Kolumnistin« kolportieren Sie dort überdies Ihr eigenes Prinzeßchenleben auf der Kichererbse in rosaroten Lettern und berichten, weil Geist- und Schamverlust halt Zwillinge sind, von frisch angeklimperten Beischlafpartnern bzw. den kollateralen Pimperunfällen: »Erst landeten wir im Pimpernel, dann bei mir. Tranken Schampus, Schampus, Schampus. Nach der zweiten Flasche Moët und dem dritten Mal Beth Ditto anhören ging es ins Bett und ab die Post.« Und zwar nach unten: »Die Einstürzenden Altbauten. Das kam so plötzlich und heftig, daß ich für einen kurzen Moment echte Todesangst hatte. Alle vier Bett-Beine brachen gleichzeitig ab, und das Bett knallte mit einem lauten RUMMMMS aufs Parkett … Basti The Kid lachte sich nach dem ersten Schock halbtot und sagte: ›Ich steh’ auf Blümchensex. Blümchensex ist halt doch die härteste Sache der Welt.‹ Ich überlegte: Ein Mann, der mein Bett ruiniert, ist eigentlich hassenswert oder zumindest rausschmeißverdächtig. Wer mein Zuhause angreift, greift auch mich an. Oder? Stopp!« Doch da walte Dialektik: »Ist es nicht eher das schönste Kompliment für einen Mann, wenn unter ihm mein Bett zusammenkracht – ohne daß er schwerst übergewichtig ist? Ich glaube, es ist ein Zeichen voller Zärtlichkeit: Der Mann, der mich so hemmungslos liebt, daß alles kaputtgeht, ist genau der richtige für mich. Habe ich ihn tatsächlich gefunden?«
Es, Frau Hoppe, sieht so aus; denn doof liebt halt alleweil gut – und da scheinen sich ja wirklich zwei gefunden zu haben!
Ihre hemmungslosen Billy the Kids von der

Titanic

Grüezi, »NZZ«!

Trotz neuem Layout und Farbe bleibst Du Neue Zürcher Zeitung doch ganz die alte. Und das heißt: auch in Deinen Auslandsberichten stets meinungsstark und um keine Wertung verlegen. Zur Berufung des neuen Bundeskabinetts hast Du nun geschrieben: »Daß Guttenberg das mächtige Wirtschaftsministerium fahrenläßt und auf den eher marginalen Posten des Verteidigungsministers wechselt, nimmt sich auf den ersten Blick wie ein Abstieg aus.«
Das ist, wie gesagt, schön meinungsstark, aber schon auf den zweiten Blick grotesk falsch. Lassen wir die Kompetenzen der beiden Ministerien spaßeshalber mal beiseite und sprechen in der Sprache, die Ihr Schweizer versteht: Geld. Und da sieht es 2009 folgendermaßen aus: Das »mächtige« Wirtschaftsministerium verfügt über einen Etat von 6,1 Milliarden Euro – das »marginale« Verteidigungsministerium jedoch über einen rund fünfmal größeren: nämlich von 31,2 Milliarden.
Wenn man, wie Deine Korrespondenten, aus einem eher marginalen Berg- und Zwergstaat kommt, muß man so was natürlich nicht wissen; man könnte aber. Wenn Du also demnächst mal wieder was über den Unterschied zwischen mächtig und marginal wissen willst: frag halt vorher einfach mal nach –
am besten bei Deiner mächtigen

Titanic

Wallraff!

Für die Erkenntnis, daß Menschen mit Permanent-Make-Up Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche haben, hätte es nun wirklich keinen ganzen Film gebraucht – und obendrein: Wie nennt man einen Weißen, der Jahrhunderte von Zeugnissen vom Rassismus Betroffener, ja ganze Musikrichtungen für unbedeutend hält, weil er zu glauben scheint, daß die Erfahrung der Ablehnung erst eine wahrhaftige ist, wenn ein Weißer sie stellvertretend macht? Am Ende einen – Rassisten?
Grüße nach ganz ganz unten:

Titanic

Hallo, »Spiegel«-Redakteure!

Da ist die neue Regierung gerade mal ein paar Stunden im Amt, und schon geht Ihr mit dem Titel »Vorsicht, Schwarz-Gelb. Der abenteuerliche Fehlstart der neuen Koalition« so hart mit ihr ins Gericht: »Hier und dort wird ein wenig reformiert, aber die Republik bleibt die gleiche, sie wird nicht schwarz, nicht gelb, auch nicht schwarz-gelb, sondern bleibt das gute alte Merkelland, das so schonend ist für die Nerven seiner Bewohner. Nichts ändert sich rasch, nichts ändert sich stark«, vor allem nicht für Millionen Hartz-IV-Empfänger und Hungerlöhner, die noch nicht mal einen Bruchteil des Betrages auf der hohen Kante liegen haben, den Ärzte, Notare und festangestellte Systemjournalisten in Jahrzehnten angespart haben; und der wohl immer noch nicht reicht? Oder wie oder was?
Nichts ändert sich; schon gar nicht bei Euch!

Titanic

Vergleichen Sie, Joseph Fischer,

doch mal folgende zwei Sätze: »Das auseinanderbrechende Jugoslawien versank in Krieg und ethnischer Säuberung.« Und dann: »Die zerquetschte Minu Barati ertrank in Sperma und herabtropfendem Schweiß.« Na? Genau, Test bestanden: In beiden Sätzen fehlt der Täter.
Deshalb sollten Sie über Ihren in der Süddeutschen abgedruckten weltgeschichtlichen Rückblick auf die zwanzig Jahre seit dem Fall der Mauer für die zweifellos und unvermeidlich bald anstehende Buchfassung vielleicht noch einmal, hüstel, drübergehen. Denn manchmal ist es auch – ganz egal, was Sie zu Ihrer Putzgruppenzeit mal auswendig gelernt haben – unverschämt, nicht »Ich« zu sagen.
Saubere Grüße vom Ethnischenmagazin

Titanic

Auf, lieber Philipp Rösler,

die Frage der BamS, was es über Deutschland aussage, daß Sie als gebürtiger Vietnamese nun Bundesminister sein dürften, entließen Sie die Anekdote, daß Sie mal von einem Afrikaner angesprochen worden seien, der es so toll gefunden habe, daß nun »einer von uns« Bundesminister sei. »Da war ich verdutzt: Einer von uns? Ich bin doch ein Gelber und kein Schwarzer.«
Ja, da muß man natürlich noch mal sauber unterscheiden. Wo käme man denn auch hin, wenn jetzt die Schwarzen plötzlich gelb sein wollten; reicht schließlich schon, daß die Grünen gelb sind. Und die Schwarzen braun. Und die Roten schwarz! So ein Durcheinander – da wird’s selbst einem maximalintegrierten Vollstreber wie Ihnen zu bunt, was?
Keiner von Ihnen:

Titanic

Friedman!

Da lärmten Sie, auf nichts weiter aus als ein bißchen Radau, auf N24 einen türkischen Obst- und Gemüsehändler voll, was er denn zu Th. Sarrazins Generalanalyse (»Die Türken hierzulande haben keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel!«) sage. Sie: »Verstehen Sie Sarrazin?« Türke: »Nein, versteh’ ich nicht, weil: Wir haben gute Preise!«
Gute Preise, gut gegeben:

Titanic

Apropos, Lothar Matthäus!

Ja, wir haben gelesen, wie unbarmherzig Sie in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit Ihren Kritikern ins Gericht gegangen sind: »In anderen Ländern geht man mit Idolen anders um, und ich bin ein Idol im Fußball in Deutschland. Nach Franz Beckenbauer bin ich ganz sicher die zweitbekannteste Fußballpersönlichkeit Deutschlands, weltweit. Und wie man mit so einem Idol umgeht in Deutschland, da muß sich Deutschland schämen.« Im Ausland sei es viel schöner: »Wenn ich heute nach Wien komme, schätzen mich die Leute. Und es ist nicht leicht, als Deutscher in Österreich geschätzt zu werden. Wenn ich nach Ungarn fahre, dann fangen die Leute schon an der Grenze an, sich zu freuen, und hoffen, daß ich nicht mehr rausfahre. Diese Wertschätzung habe ich in Deutschland nie bekommen…«
Sondern leider nur die Gelegenheit zu 150 Länderspielen und 150 000 Interviews, die Ehrenspielführerwürde der deutschen Nationalmannschaft, den Bayerischen Verdienstorden und das eine oder andere Milliönchen. Und dennoch irren Sie sich, Herr Matthäus. Wir jedenfalls bringen Ihnen die gleiche hohe Wertschätzung entgegen wie die Magyaren: Jedesmal, wenn Sie nach Ungarn fahren, freuen wir uns und hoffen, daß Sie nie wieder herausgefahren kommen.
Denken Sie mal drüber nach.

Titanic

Sabine Meinert (»Financial Times Deutschland«)!

Für Radio Eins berichten Sie und Ihre Kollegen allmorgendlich in »Business und Börse« vom Geschehen zwischen Parkett und Pressure-Group. Im Zuge der Feierlichkeiten zum 20jährigen Mauerfalljubiläum zeichneten Sie uns allerdings ein düsteres Bild von deutscher Einheit und Gleichheit: Wirtschaftliche Untersuchungen zeigten nämlich, daß es mindestens noch einmal 20 Jahre dauern werde, bis »die Pro-Kopf-Wertschätzung im Osten« westliches Niveau erreicht habe.
Tja. Aber welche Köpfe schätzt der Osten nicht genügend wert? Am Ende, Sabine Meinert, Ihren?
Man wird doch wohl noch fragen dürfen!

Titanic

Liebes Hallenser Aktionsbündnis »Hallianz für Vielfalt«!

Es ist ja löblich, daß Du mit einem lokalen Aktionsplan für mehr Demokratie Deine Stadt aufwerten willst. Aber mal ehrlich: Ob da »Unsere Stadt hat Nazis satt« die richtige Parole ist? Erstens ist das doch nun wahrlich keine Neuigkeit, und zweitens würde damit nicht auch noch Werbung machen:

Titanic

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg