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Zwei wie Posch und Schwefel
Sie gilt als letzte Bromance der Medienbranche: die Männerfreundschaft zwischen Ulf Poschardt (72) und Rainer Meyer (87) alias Don Alphonso (88). TITANIC liegen Tagebucheinträge vor, die mindestens Zweifel an diesem Narrativ erlauben. Sollten wieder einmal nur Linke provoziert werden?
Stand: 06:66 Uhr | Lesedauer: 2 Minuten plus X
Berlin, 28.06.2022
Hochverehrtes Diarium,
er hat direkt reagiert, ich solle doch zeitnah endlich mal an den ach so schönen Tegernsee kommen. Er würde alles organisieren, habe schon feine Pralinen und Earl-Grey-Tee für seine Biedermeierkanne besorgt. Ich glaube, ich komme nicht mehr um einen Besuch herum. Warum gerade ich? Warum habe ich wieder rausposaunt, dass ich ihn liebe? Warum haben andere die FREIHEIT, einfach nur "Ulle war sauber" oder "Ich habe mich eingeschissen" zu twittern? Manche haben nicht mal einen blauen Haken. Wobei, der Haken ist ja genau genommen weiß. Mein Leben ist eine einzige Selbstkasteiung. Mir fehlt der Gratismut. I love Milka!
Gmund am Tegernsee, 14.07.2022
Hochverehrtes Diarium,
was für ein Tag! Er empfing mich doch tatsächlich schuhplattlernd im Trachtenjanker, der Rainer. Das macht doch keiner. (Reim beabsichtigt!) Dann kam die erste Überraschung: Er habe die Handwerker im Haus und uns beide im "Gasthof zum güldenen Ross" einquartiert. Es klang zunächst nach Privatsphäre, aber dann stellte sich heraus: Ein Doppelzimmer – immerhin Einzelbetten! Hier liege ich nun und schreibe. Von der ersten Fahrradtour mit dem E-Bike (oder wie ich es nenne: Stahlross gewordene grüne Verbitterungsbourgeoisie) möchte ich Dir nur kurz berichten: Es ging von Gmund aus über Kloster Reutberg zum Reutbergblick. Einigermaßen beeindruckend. Haben Rast gemacht und er erklärte mir dann in unangemessener Ausführlichkeit, wie genau er diese "tollen" Fahrradbilder macht: Unscharfer Hintergrund usw. Schaltete auf Durchzug und hernach in den siebten Gang – es ging bergab. Auch auf dem Drahtesel!
Gmund am Tegernsee, 15.07.2022
Hochverehrtes Diarium,
ich war den ganzen Tag so müde! Meyer hat die halbe Nacht laut gefurzt. Don Alpupso habe ich ihn insgeheim genannt. Meinen Humor kann mir keiner nehmen. Es wird mit mir kein Humorlimit geben. Wobei, wenn ich an die moralinsaure Wokebubble denke, ist Hopfen und Malz verloren. Apropos: Zum Abendessen gab es Brotzeit und Weißbier, das war nötig nach der Etappe zu Spitzingsee und Schliersee. Rainer hat so laut geschmatzt, wie es Don Alschmatzo eben tut – auch so nannte ich ihn heimlich und griente vor mich hin. Während ich hier pflichtschuldig protokolliere (meine Memoiren werden es mir eines Tages danken), schnarcht mein Begleiter munter (obschon er schläft!) vor sich hin. Ich nenne ihn jetzt Don Alschnarcho – weil er so ein Langweiler ist, hihi! Du hast es immer noch drauf, Champ. Also ich.
Gmund am Tegernsee, 16.07.2022
Hochverehrtes Diarium,
ich bin Hedonist, kein Masochist. Und doch hätte ich heute lieber einem Impulsvortrag von Luisa Neubauer, Karl Lauterbach und Margarete Stokowski gelauscht, als dieses Martyrium fortzusetzen. Während Don A. ununterbrochen von der Bedeutung des alten Feuilletons schwadronierte, zu welchem er sich offenbar zählt, radelten wir erneut (oder besser: schon wieder) am Tegernsee entlang, diesmal von Kuhkaff A nach Kuhkaff B, nur um schlussendlich wieder in Kuhkaff A zu landen. Ich habe es so satt. Leck mich, Murphy’s Law! Mein ganzer Intimbereich ist wundgerieben – aber auch das Fahrradfahren sorgt für Reibung und wunde Stellen. Der Sattel passt nicht hundertprozentig zu meinem Podex. Ganz im Gegensatz zu den Ledersitzen in meinen Oldtimern. Wie verzehre ich mich doch nach dieser Bequemlichkeit. Stattdessen per E-Bike – wenn mich dabei jemand erkennen würde: hochnotpeinlich! Das obligatorische Einschlafgespräch konnte ich heute durch Vortäuschen eines bereits festen Schlafs umgehen bzw. umfahren: Unter der Decke spielte ich heimlich eine Stunde mit meinen Matchboxautos. Ich ende mit etwas Positivem: Im bairischen Biergarten ist die Welt noch in Ordnung - Kinder sitzen auf Stühlen, statt sich auf der Straße festzukleben. Der ist gut, den muss ich aufschreiben. Haha, mache ich ja gerade!
Gmund am Tegernsee, 17.07.2022
Hochverehrtes Diarium,
heute war, gottlob!, der letzte Tag dieses "Aktivurlaubs". In meiner Verzweiflung gründete ich während des Zwischenstopps eine WhatsApp-Gruppe ("Freier Chat für freie Bürger") mit Birgit Kelle, Frédéric Schwilden, Judith Sevinç Basad, Anna Schneider und Sophie Passmann (trat sofort wieder aus und blockierte mich, komisch). Was ich nicht tat: Ihnen von der Mangfall-Runde, die ich in den Knochen hatte, berichten. Was ich tat: Ihnen ein paar Begriffe hinwerfen, zu welchen sie sicher nicht schweigen würden: Gendern, Impfpflicht, veganes Barbecue, Verbrenner, transsexuelle Haltungselite. An Frédéric gerichtet schrieb ich über den provinziellen Kleidungsstil von Don Alphonso. Ich sehnte mich nach Lästerei, Intrigen, Complience-Gags. Kurz: Ich vermisste die Arbeit und kontrollierte allminütlich, wer meine Nachrichten gelesen hatte. Alle Genannten waren sofort online, reagierten aber nicht. Der Vorgang (online – offline – usf.) wiederholte sich ein paar Mal – dann schaltete ich enttäuscht den Flugmodus an. Morgen werde ich mich sachlich von Kollege Meyer, der wieder wie ein Baby zu schlafen scheint, verabschieden. Sollte ich das vermaledeite Twitter endgültig löschen? Ich gefalle mir in der Rolle des Grüblers. Warum fragen mich die Leute nicht nach Lösungen für die großen Probleme der Menschheit? Es wäre wohl zu einfach. Auch das gehört zur Wahrheit. Und dies: Lieber ohne Gummi als mit Maske! Gute Nacht, süßer Prinz.
Martin Weidauer