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Das Tandem
Eine Vorausbetrachtung, Theodor Fontane (SPD) zum 200. Geburtstag in Freundschaft zugeeignet
von Stefan Gärtner
"Wer ist das Tandem?"
"Das Tandem war Steuerfrau und -mann,
Aushielt es, bis unser Erbe zerrann,
Es sollte uns retten, zu tragen die Kron,
Es starb mit uns, unsre Liebe sein Lohn.
Das Tandem."
***
Die "Bebel" ächzt übern Ozean,
Ein alter, doch teuer bezahlter Kahn,
Von Godesberg schnauft er nach Ultimo –
Die Herzen aber sind noch mal froh,
Und die Passagiere, Männer und Fraun
Im Morgenlicht in die Weite schaun,
Die dunkelste Nacht sei nun endlich vorbei!
Fast fröhlich die Fragen: "Wie lang noch, ihr zwei?"
Die schauen nach vorne: "'s ist noch Zeit,
Wir schippern ja schließlich Seit’ an Seit"."
Alle Herzen sind froh und geradezu frei –
Da klingt's aus dem Radio her wie Schrei,
"Wahlen!" war es, was da klang,
Ein Stöhnen aus offenen Mündern drang,
Schon brennt es nach Umfragen lichterloh,
Und noch dreißigmal Vollmond bis Ultimo.
Und die Genossenschaft, buntgemengt,
Am Heck, da steht sie zusammengedrängt,
Denn vorne ist Unheil und hinten noch Licht,
Auf Twitter aber schweigen sie nicht,
Und ein Jammern wird laut: "Wo stehen wir? Wo?"
Und noch fünfzehnmal Vollmond bis Ultimo.
Der Wind wird noch kälter, die Hoffnung zerweht,
Und alles streng nach dem Steuer späht,
Doch sehen sie dort plötzlich keinen mehr,
Gemeinsam rufen sie, Rücken zum Meer:
"Noch da, ihr beiden?"
"Logo, wir stehn."
"Fünf Prozent! In die Brandung!"
"Es wird schon gehn."
Die GenossInnen jubeln: "Haltet aus! Halloh!"
Und noch einmal Vollmond bis Ultimo.
"Noch da, ihr Guten?" Und Antwort schallt's
Mit ersterbender Stimme: "Jedenfalls!"
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
Haut es die "Bebel" mitten hinein.
Denn Rettung, die kommt nicht, so oder so.
Dann lieber mit Volldampf Ultimo.
***
Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet keiner. Und niemand fehlt.
***
Keine Glocke geht; kein Plasberg schwillt,
Kein mit Illner gefülltes Fernsehbild,
Es schweigen die Dörfer, es schweigt die Stadt,
Weil praktisch niemand Interesse hat,
Bestattet wird bloß, was so lange schon tot,
Das aller- und vorletzte Aufgebot.
Sie lassen den Sarg in Nelken hinab,
Den roten, schließen dann das Grab,
Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
Schreibt Diakon Prantl den Dankspruch ein:
"Hier ruht das Tandem! Nach Nahles und Brandt
Hielt es das Steuer fest in der Hand,
Es konnte nichts retten, die Sache war Schmu,
die anderen legen wir einfach dazu,
zum Tandem."