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Kanye West: "Jesus is King" – die nachgereichte Plattenkritik

von David Schuh

Der US-amerikanische Musikrapper Kanye Omari West hat ein neues Album auf den Markt gebracht, buchstäblich, und zwar zur Media-Markt-Filiale Chicago, pünktlich am Erscheinungstag um 8 Uhr Ortszeit. Viel ist über das Werk bereits geschrieben worden, ich habe das alles bewusst ignoriert, um unvoreingenommen zu sein, war stattdessen in der Kirche, um mich spirituell einzustimmen auf den „opulenten Gospelsound, der verdammt nochmal überzeugt“, wie „Chrismon“ schrieb. „Christ & Welt“ war besonders angetan von den „zahlreichen Bibelzitaten“, musste aber eingestehen, dass man „das alles mit ,Google Translate‘ übersetzt“ habe und es dann „irgendwie so rätselhaft und auch archaisch“ geklungen habe wie das Alte Testament itself eben. Nicht weniger begeistert zeigte sich Heribert Prantl von der „Süddeutschen Diözese“, dem besonders der Song „Closed on Sunday“ gefiel, mache sein Blatt doch sonntags ebenfalls Pause, und er könne gemütlich in den Gottesdienst oder den Englischen Garten Eden gehen, „Jesus is King“ unter den Over-Ear-Kopfhörern von Sinnheiser mit Fischsymbol-Aufklebern drauf. Gehen wir nun, wie bereits bei der Rezension von Wests 2017er Album „The Life of Pablo“, Song für Song bzw. Track für Track bzw. Lied für Lied vor.

Every Hour (feat. Sunday Service Choir)
Kanye West gelingt es hier überzeugend wie unfreiwillig, die Genres „Shoegazing“ und „Italo Disco“ miteinander zu versöhnen, obwohl die niemals zerstritten waren. In nahezu traumwandlerischer Sicherheit schüttelt das Rapgenie Sample um Sample aus dem Ärmel und alsbald dem lieben Gott die Hand, so man sich diesen vernünftigerweise als ganz normalen Menschen aus Fleisch und Blut vorstellt und nicht als „irgendwas da draußen“ wie eine esoterische Schauspielerin, Name entfallen. Analog zur Sonnenuhr zählt West die frommen Stunden nur, also allein die auf der Kirchenbank verbrachten, in freudiger Erwartung des heiligen Lords, der dann alle Probleme beseitigen soll, etwa die Beulenpest, Frank Plasberg oder Menschen, die „das sicherlich in Zukunft ein Stück weit besser kommunizieren“ müssen. Mit Verlaub, aber von der Theodizee hat Mr. West wohl noch nie was gehört.

Selah
„Selah, selah, whatever will be, will be“: Kanye West covert hier doch tatsächlich Doris Days berühmten Hit aus den 50ern. Künstlerischer Offenbarungseid oder stilistisch eigenständige, geniale Weiterentwicklung Fragezeichen. Die souveräne Antwort: Beides ist zutreffend. Paradox? Ja und nein. Das Panflötensolo in der Mitte nervt ein bisschen.

Follow God
Hier macht K.W. ganz ungeniert Werbung für den Twitterkanal von Gott dem Allmächtigen, und der dankt‘s ihm gern mit Retweets zum neuen Album. Eine Win-win-Situation, bei der nur verliert, wer sich den mit Bläsern und Streichern vollkommen überladenen Minimal-House-Track, auf dem Wests brüchige Stimme allein von der Akustikgitarre begleitet wird, bis zum Ende anhören muss. Das sind mehr Menschen, als man denkt: Journalisten etwa, Leute mit Zwangsstörungen. Oder ganz normale Leute mit Zwangsstörungen.

Closed on Sunday
Eine bitterböse Abrechnung mit den Öffnungszeiten der Einzelhandelsgeschäfte in den Vereinigten Staaten (USA). Ausgerechnet sonntags, wenn Kanye West laut Tarifvertrag frei hat vom Rappen, darf er nicht einkaufen gehen, kann nur im Internet bestellen. Aber das ist ja nicht das Gleiche. Der irgendwo zwischen Neofolk, Dubstep und Musique Concrète angesiedelte Song hat bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt, ist allerdings auch erst ein paar Wochen alt.

On God
In 7 Minuten ist Redaktionsschluss, also sind pro Track ab jetzt nur noch zwei Sätze max möglich, dafür haben Sie Verständnis, ich erkenne das an der wohlwollenden Art, wie Sie als Rezipient bisher in Erscheinung getreten sind. Nicht mal ein Stirnrunzeln, toll! Für diesen Song hier ist jedes Wort eines zuviel, und zwar, weil er so schön ist. Einfach nur genießen und über das fehlende Panflötensolo in der Mitte hinwegsehen.

Everything we need (feat. Ty Dolla $ign & Ant Clemons)
Hier scheitert Kanye West auf ganzer Linie, da können auch Ty Dolla $ign und Ant Clemons nichts mehr rausreißen. Warum? Das hören Sie jawohl selbst?!!!?!!!

Water (feat. Ant Clemons)
Noch drei Minuten und vierundzwanzig Sekunden bis Abgabeschluss, jetzt noch einundzwanzig Sekunden. Jetzt noch siebzehn Sekunden. Kanye West macht Musik, darauf können wir uns einigen. Es klingt irgendwie gut, aber vielleicht liegt das auch an den Lautsprechern.

God is
Ja was denn?!?!? Subjekt, Prädikat, Objekt, so haben wir das in der Schule gelernt.

Hands on (feat. Fred Hammond)
Ein gutes Lied.

Use This Gospel (feat. Clipse & Kenny G)
Ein schlechtes Lied.

Jesus is Lord

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt