Humorkritik | Januar 2018

Januar 2018

Mein Vater hat sehr viel über sich selbst gelacht und meine Mutter wiederum sehr viel über meinen Vater.
Ivette Löcker

Deutschrap zum Kleinkunstpreis!

Das fordert mein junger Kollege Moritz Hürtgen. Wie er das meint? »Als todernste Punchline. Es steckt sehr viel politisches Kabarett im neuesten Hip-Hop deutscher Zunge. Woran das liegt? Es muß – pardon my real talk – mit dem Penis zu tun haben. Denn zwar gibt es hierzulande sowohl im Kabarett als auch im Rap Menschen mit Scheide, doch genau wie von Kleinkunstbühnen fließt auch von Rap-Stages fast ausschließlich Testosteron, wenn es straight ans politische Erklären geht. Neu in den Charts: Das Album ›Alle gegen alle‹ des Duos ›Zugezogen Maskulin‹, bestehend aus den Wahlberlinern Testo (eben!) und grim104. Was die ›ZM-Gang‹ auf ihrer zweiten wie auch auf der ersten Platte textet, ist nicht weit von dem entfernt, was Hagen ›Liebe‹ Rether seit Jahren von seinem Schimmel-Flügel herunterquatscht: ›Was für eine Zeit, um am Leben zu sein‹ wird da beschworen – und von einer Vergangenheit gesprochen (›Das ist noch gar nicht lange her!‹), die zu einem unbestimmten Zeitpunkt ins Jetzt gekippt sei. In dieser Gegenwart herrsche ›endlich wieder Krieg‹, es gebe ›retuschierte Plastikmenschen‹, eine ›Diktatur der Follower‹ – und mittendrin immerzu ›ich‹ und ›du‹ und v.a., wie bei Rether: ›wir‹. Genau: Wir tragen Verantwortung für die schlimmen Zustände, wir machen den ganzen Dreck mit, wir sehnen uns nach einer Strafe für unsere Ignoranz, die doch bitte endlich in möglichst apokalyptischer Kopf-ab-IS-Ästhetik (bzw. ISthetik) über uns kommen möge … Das wird aber, so viel kann ich verraten, nicht passieren, denn wir sitzen gemeinsam mit Hagen Rether, Testo und grim104 sehr bequem und rundum verschont in der Festung Deutschland, und der Krieg bleibt garantiert draußen. In einer Besprechung von ›Spiegel online‹ wurde ›Zugezogen Maskulin‹ bereits als ›schlechtes Gewissen eines ganzen Landes‹ bezeichnet. Ein grausames, aber letztlich gerechtes Urteil.

Welche verwandten Deutschrapper gibt es da noch? Klar, die ›Antilopen Gang‹, die immer alles genau so sagt, wie sie es meint, und dabei so unbequem wie Volker Pispers ist. Und der Berliner Rapper Audio88, dessen letztes Album den frechen Titel ›Sternzeichen Haß‹ trug, könnte bürgerlich gut und gerne Urban Priol heißen. Und so weiter. Herr im Himmel: Es sind diese Leute ja tatsächlich nicht dumm; sie lesen die Taz, ›Konkret‹, ›Jungle World‹ und manch einer vielleicht sogar dieses kleine Magazin hier. Sie begreifen den Lesestoff schnell und basteln eigene Verslein daraus. Ihnen reicht es nicht, im klassischen Battle-Rap ein imaginäres Gegenüber als ›Hurensohn‹ zu schmähen, nein, sie zitieren sich lieber gegenseitig und klopfen einander auf die Schulter. Wenn man die Alben der Genannten durcheinander hört, meint man fast, einer Folge ›Die Anstalt‹ beigewohnt zu haben. Ich weiß, ich weiß: Depperter Antiamerikanismus wie bei Pispers findet sich auf ihren Platten nicht. Doch ihre Pädagogik wendet sich an die SPD-nahen Gewerkschafter von morgen, die jetzt, in ihrer Jugend, noch eine irgendwie wilde Zeit im Untergrund haben wollen. Wer dieses Publikum wirklich ver-, ja zerstören und zerficken (wie gesagt: real talk) möchte, sollte es statt mit Klageliedern vom herbeigeredeten Krieg mit etwas mehr Figurenrede (wenn Kabarett, dann bitte Polt) versuchen – und also unbedingt den Mut aufbringen, sich mißverständlich zu äußern.«

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella
09.05.2024 München, Volkstheater Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella
11.05.2024 Karlsruhe, Kabarett in der Orgelfabrik Thomas Gsella